Volltext: Festschrift zur Erinnerung an die feierliche Einweihung des israelitischen Tempels in Linz des ersten in Oberösterreich

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obwohl es lange nicht mehr als solches gilt. So ist es mit den 
Wundern, die unsere Frauen täglich und stündlich vollfͤhren. 
Ist es nicht ein Wunder, wenn, während wir unseren Geschäften 
und unserem Vergnügen nachgehen, unser Haus gedeiht und unsere 
Kinder bewacht, gepflegt, erzogen und demjenigen Ziele zugeführt werden, 
welchem sie zugeführt werden sollen. Dieses Wunder vollziehen täglich 
unsere Frauen, und vollziehen es in aller Stille, ohne zu jenen hero⸗ 
ischen Mitteln wie die Frauen des Altertums zu greifen. Sie beten 
nicht Nächte hindurch, um uns mit Nachkommen zu beschenken, sie 
legen ihr Haupt nicht unter das Opferbeil, um aus den Kindern 
große Männer zu machen; sie vollziehen ihre Aufgabe im häuslichen 
Kreise still und geräuschlos. Ein anderes Wunder! 
Jeder von uns, ineine Herrn, glaubt, er sei der Herr im Hause, 
und es wird keiner offen eingestehen, daß er, wie man zu sagen pflegt, 
unter dem Pantoffel steht. In einem stillen Kämmerchen seines 
Herzens und in einem unbewachten Augenblick, vor sich selbst, legt wol 
so Mancher ein „anderes Geständnis“ ab. Auch dieses Wunder voll— 
bringt die Frau ohne heroische Mittel, geräuschlos, ohne daß der Herr 
es merkt, der dabei sogar hoch und heilig schwört, er führe die Herr— 
schaft im Hause. Darin liegt eben das Wunder! Die Frauen haben 
den Einfluß, der ihnen thatsächlich und mit Recht gebührt, auf die 
leichteste Weise von der Welt zu Stande, gebracht. Und welche sind 
die Mittel, durch die sie dieses Wunder vollbringen? Wieder keine 
heroische. Ich will sie nur kurz andeuten. Sie heißen harmlos: 
Toilette, Schneider, Friseur, Robe, Princesse, Duchesse u. dgl. und 
sind sogar in gewissem Sinne auch unblutig. (Heiterkeit). 
Aber ich will nicht scherzen. Die Frauen haben auf diesem 
Wege dasjenige Element in das Haus gebracht, welches schafft und 
bildet, die Ordnung, die heilige Himmelstochter, welche „den Wilden 
hereinrief von den Gefilden.“ Es ist die Erfahrung, die für mich 
spricht. Wenn die Aufklärung, wenn die Civilisation, wenn der Fort— 
schritt in den Judenfamilien Boden gefaßt hat, so haben wir dies nur 
den Frauen zu verdankern. 
Meine Herrn!“ Man muß das von der Nähe gesehen haben, 
man muß in einem Lande gewesen sein, in dem Fortschritt und Civi⸗ 
lisation nur mühselig und unter dem größten Widerstande ihren Ein— 
zug gehalten haben. Nur die Frauen waren es, die da auf ganz leichte 
Weise Bahn gebrochen haben. Mit ihrem Takte, mit Ihrem ange— 
bornen Schönheitssinne beseitigten sie die Unordnungen und Uneben— 
heiten und bekehrten den störrigen Mann. Sie fingen damit an, sich
	        
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