Volltext: Deutsch-österreichische Feldpost 75-100 (75-100 / 1916)

Die gestohlene Himmelsfarbe. 
Der „Matin" rückt das beliebte „Boche"-Thema 
jetzt m eine eigenartige, sozusagen chemische Be 
leuchtung. 
„Die Indier," so erzählt er seinen Lesern, 
„haben doppelten Grund, die Boches zu verab 
scheuen: erstens weil sie loyale Staatsbürger sind 
und zweitens weil sie die Boches als „Blaudiebe" 
ansehen. — Vor zwanzig Jahren kam fast alles 
Indigo aus Indien. Jedes Jahr wurde für 39 
Millionen von dort ausgeführt, davon für 2ö Mil 
lionen nach Deutschland. Indien versorgte auch 
China, Japan und Aegypten, wo die blaue Farbe 
vorherrscht. Fünfzehn Jahre lang suchten die 
deutschen Gelehrten das Geheimnis des synthe 
tischen Blaus zu ergründen. Aber erst vor zehn 
Jahren haben sie es gefunden — oder gestohlen 
— und nutzen es aus. Die Fabriken in Ludwigs- 
Hafen, Höchst und Mannheim überschwemmen Eu 
ropa, Asien, die beiden Amerika mit „diethy- 
ditolntrionine“, und der indische Handel ist rui 
niert. — Der Haß der Indier gegen die Blau 
diebe ist aber nicht etwa nur der Neid des ge 
schädigten Konkurrenten. Er hat etwas Heiliges 
an sich! Und es ist auch tatsächlich eine Ent 
weihung .des Heiligen, wenn man bedenkt, datz 
das Monopol der Himmelsfarbe und deren zahl 
loser Schattierungen jetzt zum Vorrecht der nied 
rig freu und schwärzesten Seelen des Weltalls ge 
worden ist." 
Die rührende Klage des „Matin" ob der 
Entweihung der Himmelsfarbe durch die Boches 
ist übel angebracht, da das Matt ja nie Anstand 
genommen hat, das Blau vom Himmel herabzu- 
lügen, wenn es dafür gut bezahlt wurde. 
Das Vorbild. „Schäm' dich, Franzl, jetzt 
weinst, weil du einen Löffel Medizin einnehmen 
sollst: was hat unser Hindenburg in der letzten Zeit 
nicht alles eingenommen!" 
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