Volltext: Oö. landwirtschaftlicher Kalender 1923 (1923)

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ßte noch waren Bauer und Landwirtschaft von mehr Feindseligkeit, 
Haß und Mißgunst umgeben als in unseren Tagen. Mit scheelem 
Blick verfolgt ihre wirtschaftliche Erstarkung vornehmlich der Neid all derer, 
die ehedem mit Spott und Hohn auf Bauer und Wirtschaft herabgesehen 
und die ländliche Arbeit geflohen sind, um in Stadt und Industrie der 
vermeintlichen Freiheit und dem Glücke nachzujagen. Viel Tausend braver, 
gesunder, arbeitsfroher Menschen sind durch die Landflucht verkommen und 
so mancher mag sich schon oft aus der grauen, hungrigen Stadt zurück 
gesehnt haben nach dem warmen Platz in der traulichen Bauernstube mit 
ihrem vollbesetzten Tisch. Wie sehr haben sich doch die Zeiten geändert! 
Unterdrückt, mißachtet, verschuldet ist unser Bauernstand in den Krieg ge 
zogen, in dem er die größten Opfer an Gut und Blut für das Vaterland 
brachte. Kaum eine Bäuerin, die nicht durch den Krieg Sohn oder Mann 
verloren, kein Hof, der nicht unter der Drangsal der Kriegswirtschaft 
Schaden gelitten und dennoch hat sich der Bauernstand aus all diesen 
Nöten wie ein Vogel Phönix wieder erhoben. Was Wunder, daß heute 
der Neid alle jene packt, denen es ein Dorn im Auge, daß der Bauernstand 
es zuwege gebracht, trotz Opfer und Zwangswirtschaft die drückenden 
Sklavenkelten der Verschuldung und Ausbeutung abzuschütteln, sich wirt 
schaftlich frei zu machen und politisch zur Geltung zu bringen. Nicht Wucher 
und Konjunkturgewinn, wie man fälschlich behauptet, haben den Bauern 
stand hoch gebracht, sondern einzig und allein rechtschaffene Arbeit, 
Pflichttreue, Sparsamkeit, Ausdauer und Organisation. 
Die Revolution hat zwei Klassen von Menschen geschaffen: Gewinner 
und Verlierer. Die einst bevorzugt, wohlhabend, kulturell führend oder 
als Kleinrentner sorgenlos waren, sind heute an die Wand gedrückt, verarmt 
oder ruiniert, kurz Revolutionsverlierer geworden, dagegen Proletariat 
und Großkapital im Bunde Revolutions gewinn er. 
Der Bauernstand aber ist weder das eine noch das andere, er steht 
auch heute noch in der Mitte zwischen Revolutionsgewinnern und -Verlierern, 
denn er allein hat kein Teil gehabt an der Revolution. Er ist nicht reicher 
geworden, denn sein sogenannter Reichtum ist papierene Flut-und ist nicht 
ärmer geworden, denn was sein Boden an Kraft verarmte, hat er durch
	        
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