Volltext: Oö. landwirtschaftlicher Kalender 1913 (1913)

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Was die Reben durch den Hasen zu leiden haben, das ist nicht zu schildern. 
Er nagt der Weinrebe zuerst das eine, dann das zweite und dritte, hierauf das vierte 
und fünfte und schließlich das sechste und siebente Auge ab, ohne daß es dem Auge 
des Gesetzes einfallen würde, diesen Augenraub zu hindern. 
Ich kann unmöglich berechnen, was mir ein Feldhase an Hafer usw. weg 
gefressen hat, weil das Gefressene nach einiger Zeit wieder herauswächst. 
Der Feldhase tut manches, was man ihm nicht verbieten kaun, daher 
geschieht es. 
Gegen das Annagen der jungen Früchte hilft kein Mittel. Der Herr Hase 
geht einfach her, setzt seinen Kopf auf und frißt, bis alles hin ist. Dann geht er hohn 
lächelnd weiter. 
Der Jäger hat ein Gewehr, das er zum Schießen verwendet. 
Wenn das so weitergeht, dann ist die Zeit nicht mehr ferne, wo nicht nur 
der Landmann mit dem Hungertuch durch das Land wandert, sondern auch der 
kleine Gewerbetreibende am Bettelstäbe nagen muß. 
Die Fleischnot rührt in erster Linie daher, daß die Vermehrung des Menschen 
geschlechtes mit der des Viehs nicht gleichen Schritt hält. 
Es muß auch den größeren Bauern, die immer mehr und mehr zusammen 
schrumpfen, geholfen werden, sonst gelangen auch sie auf die verderbliche Rutschbahn. 
Wichtiger als der Neubau eines Findelhauses wäre ein Gesetz, durch das 
der Naturtrieb auf dem flachen Lande eingeschränkt wird. 
Auf dem flachen Lande kommen die Kinder in den allermeisten Fällen infolge 
eines natürlichen Vorganges auf die Welt. 
Die Leutenot auf dem flachen Lande ist mit einer Schlucht zu vergleichen, 
die den Bauern zu ersäufen droht. 
Heute ist die Unfallversicherung ein Kadaver, dem Sie, meine geehrten 
Herren von der Regierung, keine Blüten und Früchte mehr entlocken werden. 
Wir brüsten uns fortwährend mit unserer hohen Kultur und Zivilisation, 
trotzdem aber gehen wir daran, abermals den Branntwein zu verteuern. 
Gehen Sie hinaus aufs flache Land, schauen Sie sich die vielen kleinen 
Bauernwirtschaften an und Sie werden sehen, daß sie nicht mehr da sind! Der 
Jagdherr hat sie einfach aufgesaugt. 
Wie man unsere Hochschulen uur ein bischen angreift, so stellen sie sich auch 
schon auf ihre Hinterbeine. 
Ich freue mich, daß der Herr Minister für Kultus und Unterricht unter 
Umständen auch einen starken Ton von sich geben kann. 
Dem Herrn Vorredner ging es in diesem Falle wie dem armen Jonathan, 
der von einem Haifisch drei Tage lang ausgespien wurde. 
Ich Habeden Rubikon nicht nur überschritten, sondern bin hineingesprungen, 
um mit fester Hand in dies Wespennest zu greifen. 
Jetzt wird den Agrariern die Schuld gegeben, daß nicht jeder Arbeiter Sonntags 
seinen Ochsen im Topf hat. 
.... und da möchte ich wie jener Archimandrid (Archimedes) rufen: Gebt mir 
einen Heber und ich reiße die Welt ein! 
Heutzutage wird nur dem Kapitalismus gehuldigt; es ist die Zeit, wo das 
goldene Kalb blüht. 
Den Bauern schinden sie das Geld heraus und dem geilen Bauch des Groß 
kapitals werfen sie es in den Rachen. 
Erst als ich dem Herrn Ackerbauminister ordentlich auf die Zehen getreten 
bin, geruhte er, den Mantel der Schweigsamkeit abzulegen und sich in den der Auf- 
klärungsgebung zu hüllen. 
Ich sehe jetzt Seine Exzellenz, den Herrn Ministerpräsidenten, in seiner 
ganzen erbärmlichen Nacktheit vor mir stehen. Und er schämt sich nicht einmal.
	        
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