Volltext: Oö. landwirtschaftlicher Kalender 1913 (1913)

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Tierquälerischer Transports-es Rindes. 
XMit 2 Bildern.) 
(Aus „Düstere Bilder aus dem Leben unseres Hausrindes" vom kgl. Stabsveterinär a. D. 
E.Fbring er.) Durch Freundlichkeit des Verfassers mit 2 Abbildungen nach Original. 
Eines der nützlichsten unserer Haustiere ist das vielfach verkannte 
und wenig beachtete Rind. 
Hinsichtlich seines materiellen Nutzens, den es dem Menschen nicht 
nur im Leben, sondern auch nach seinem Tode bringt, ist das Rind aller 
dings weniger verkannt; denn wer wüßte nicht Milch, Butter, Käse und 
eine feste Stiefelsohle zu schätzen und wer hätte nicht gerade in der Teue 
rungszeit den Wert eines saftigen Stücks Rindfleisch zu würdigen gelernt? 
In dieser Beziehung ist ja das Rind heute ein viel umworbenes Geschöpf, 
um das sich Gesetzgeber, Züchter, Käufer und Verkäufer — zumal aber 
der Zwischenhändler! — und in letzter Linie die sparsame Hausfrau gleich 
liebevoll und fürsorglich, wenn auch nicht gerade uneigennützig, bemühen. 
Aber das Rind ist von der Mehrzahl der Menschen verkannt und 
unterschätzt hinsichtlich seiner seelischen Eigenschaften: seines Verstandes und 
seines Charakters. 
Unser Hausrind ist keineswegs so dumm, wie es ausschaut; ausschaut 
aber auch nur für den Laien, der so einen gehörnten Philosophen gemessenen 
Schrittes in scheinbarem Stumpfsinn dahinschreiten sieht. 
Zum Beweise dafür, daß das Rind nicht nur, wie wohl allbekannt, 
ein tapferes und streitbares Tier ist, sondern auch von Natur aus nicht 
viel weniger Klugheit und Anpassungsvermögen besitzt als das Durchschnitts- 
Pferd, sei hingewiesen: 1. Auf die Reilochsen der berittenen Infanterie 
in den afrikanischen Kolonien, 2. auf die vor einigen Jahren Mode gewesenen, 
von den fashionablen Pariserinnen gelenkten Ochsengespanne und 
3. auf die dressierten Rinder im Zirkus. Diese Beispiele lehren, daß 
der Mensch, sowie er sich mit dem Rinde in gleicher Weise befaßt wie mit dem 
Pferde, das ganz gleiche Erziehungsresultat erreicht — natürlich unter 
Berücksichtigung von Temperament und Beweglichkeit, in welcher Hinsicht 
übrigens auch unter den Pferden himmelweite Unterschiede bestehen. 
Könnte der Ochse reden, dann würde vielleicht manch einer zu seinem 
Kameraden, der die Ackerfurche verfehlte, sagen: „Du Mensch!" und er 
hätte sich unter Umständen richtiger ausgedrückt als ein Mensch, der seinen 
Bruder, der sich dumm anstellt, einen „Ochsen" schilt. 
Demgegenüber muß man staunen, wie verkehrt, ungerecht und grau 
sam meistenteils die übliche Behandlung des Rindes ist. 
Wie oft sieht man einen Stier, der auf einer vielleicht sogar frisch 
beschotterten Straße getrieben wird. An seinen Vorderfesseln sind dünne 
Seile angeschleift, die durch einen um die Brust laufenden Strick hochge 
nommen, nach hinten laufen und an den Enden gehalten werden. Dem 
Tiere sind die Augen verhüllt, so daß es den ohnehin unbekannten Weg 
im Dunkeln zurücklegen muß. Kein Wunder, wenn es deshalb noch stör 
rischer ist; kein Wunder aber auch, wenn es wie alle Blinden seine übrigen 
Sinne desto mehr anspannt. Plötzliche Geräusche machn: es daher stutzig;
	        
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