Volltext: Oö. landwirtschaftlicher Kalender 1910 (1910)

Wohltätig ist's Benzin, gewiß, 
Vorausgesetzt, man braucht^ nicht miß. 
Denn manches Kleid, recht arg beschmutzt 
Hat dieser Saft schon reingeputzt. 
Doch furchtbar wird besagter Saft, 
Ersetzt er einmal Pserdekraft. 
Zum Beispiel bei der Autofuhr, 
Der jüngsten Tochter der Kultur. 
Wehe, wenn sie, ausgelassen, 
Mit Gestank und mit Geschnauf 
Durch die volksbelebten Gassen 
Rast in blitzesschnellem Lauf — 
Denn manch' Elemente passen 
Auf Passanten gar nicht auf. 
Aus den Autos strömen Gase 
In die /Nase, 
Bon den Autos, ohne Zahl, 
Riecht's fatal. 
Hört ihr dort den Todesschrei? 
Seht, zu Brei 
Sind ein Paar . 
Leute überradelt worden. 
Heißt das sporteln? Gott bewahrst 
Das heißt morden! 
Doch gewaltsam, 
Unaufhaltsam, 
Kneift das Aut, 
Ohne Laut, 
Ungeachtet des Malheures, , 
Schändlich feige aus, als wär' es 
Nicht von sogenannten bessern ' 
Menschen, sondern Menschenfressern, 
Nein, vom Satan selbst besessen. 
Vorwärts wütet unterdessen 
Der Chauffeur, der 
Massenmörder,. 
Spottet, rasend, aller Hinder- 
Nisse, rädert Greise, Kinder, 
Ohne sich ums Todeswimmern 
Seiner Opfer p bekümmern; 
Väter fluchen, 
Mütter suchen 
Nach zermalmten Töchtern, Söhnen; 
Weiber jammern, Männer stöhnen; 
Das Benzin. 
(Frei nach Schiller.) 
' Weite Strecken; 
Alles was noch nicht vernichtet. 
Rennt und flüchtet, 
Sucht das Weite 
Oder fliegt entseelt bei Seite. 
Hunde kläffen an der Kette ' 
Um die Wette; 
Hühner krähen, gackern, flattern 
Über Zäune, Gänse schnattern; 
Auch das Horn- und Borstenvieh 
Nimmt Reißaus mit Not und Muh'. 
Ratlos stier'n die Polizisten 
Nach dem Automobilisten, 
Doch erbärmlich wenig taugen 
Des Gesetzes Ohr'n und Augen, 
Weil sein Arm sich hier zumeist 
Allzu, viel zu kurz erweist. 
Doch mit dem Benzin, dem schlechten, 
Ist kein ew'ger Bund zu flechten. 
Überhast kommt vor den Fall! 
Mitten drin im schönsten Fahren 
Explodiert der Sausekarren 
Manchesmal mit lautem Knall. 
Riesenhoch 
Schweben noch 
Schultern, Arme, Beine, Hüften 
Eine Weile in den Lüften 
Und zerstreu'n sich überall. 
Rings umher 
Aütotrümmer, 
Dort an einem halben Rade 
Klebt die Wade 
Vom Chauffeur; 
Auch vom Autoeigentümer 
Findet sich nicht vieles mehr. 
Wunders leusi 
Bleiben stehen 
Und besehen 
Was sich noch da dem Auge beut, 
Und wie sie endlich weiter gehen, 
Da finden sie, die schon geglaubt, 
Daß von den Autlern nichts geblieben, 
Zwei Meilen weit — nicht übertrieben, 
Ein armes, herrenloses — Haupt 1 
(Mi$ HWuer, Wie», 
Leichen decken 
Das billige Augenglasfutteral. 
Eine alte Frau kam kürzlich in den Laden eines Optikers 
und ließ sich 
fragte nach dem Preise. 
ermge 
.Fünf 
Brillen vorlegen. Sie wählte eine derselben und 
Mark", war die Antwort. — „Und was kostet sie ohne Futteral?" — „Ich" kann 
sie nicht unter 4*90 Mark verkaufen", sagte der Optiker, der soviel wie möglich gewinnen 
wollte. — „Rechnen Sie denn nicht mehr als 10 Pfennige für das schöne Futteral?" 
fragte die Frau. — „Nein," entgegnete der Geschäftsmann, „das Futteral ist nicht 
mehr wert als 10 Pfennige." — „Das ist ja wunderschön", sagte die alte Dame mit 
einem Seufzer der Erleichterung. „Ich wollte eigentlich nur ein Futteral für meine 
Brille kaufen, da ich das alte verloren habe." Damit legte sie 10 Pfennige aus den 
Ladentisch und ging mit dem Futteral ihres Weges, bevor noch der bestürzte Optiker 
ein Wort der Erwiderung gefunden hatte.
	        
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