Volltext: Oö. landwirtschaftlicher Kalender 1905 (1905)

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,,Nun in der Schule!" entgegnete der Waldhofer. ,,Für was lauft 
denn der Bub' acht Jahr' Tag für Tag in dieselbe?" 
„Ganz richtig, in der Schule! Aber nicht in der Volksschule, sondern 
in der Winterschule. Diese siud geschaffen und berufen, den landwirtschaft 
lichen Betrieb zu heben und nutzbringend zu gestalten. Warum werden die 
selben aber nicht besucht? Zum ersten Theile deshalb nicht, weil die Bauern 
schaft gleichgiltig ist und sich gegen alles Neue feindselig stellt. Die Volks 
schule allein ist niemals imstande, dem jungen angehenden Bauer die nöthigen 
Kenntnisse beizubringen, welche ihn befähigen, mit den Zeitgenossen gleichen 
Schritt zu halten. Wir leben in einer ganz anderen Zeit als vor 50 oder 
gar 100 Jahren. Die Berkehrsverhältnisse sind ganz andere geworden 
und deshalb auch die Erwerbsverhältnisse. Infolge des Weltverkehres sind 
dem einheimischen Landwirt Concurrenten entstanden, an die er früher nicht 
gedacht hat. Amerika, Rußland und Ungarn bringen so viel Getreide auf 
den Markt, daß der Getreidepreis des Inlandes ganz bedeutend nieder 
gedrückt wurde, was jeder Bauer fühlt. Das läßt sich leider sehr schwer 
ändern; selbst der zu erwartende Zolltarif wird keine allzu glänzenden Ver 
hältnisse herbeiführen. Wenn der Bauer nicht will, daß er zugrunde gehe, 
so muß er in erster Linie auf die Hebung und Verbesserung seines Betriebes 
bedacht sein, wie sie die veränderten Zeitverhältnisse verlangen." 
„Das wird auch die landwirtschaftliche Winterschule nicht ändern," 
sagte der Zenzl. 
„Nun, die Winterschule an und für sich nicht, aber sie sieht eben ihre 
Hauptaufgabe darin, junge, dem bäuerlichen Stand entstammende Leute mit 
den unumgänglich nothwendigen landwirtschaftlichen Fachkenntnissen auszu 
rüsten. Im Anschlüsse an ihre heimatlichen landwirtschaftlichen Verhältnisse 
sollen die Schüler diejenigen Grundlagen kennen lernen, ohne deren Kennt 
nis der Betrieb der Landwirtschaft heutzutage unendlich erschwert ist; die 
jungen Leute sollen denken, sehen und beurtheilen lernen über das, was 
innerhalb ihres Berufes vorgeht, welche Neuerungen entstanden, was nütz 
lich und Vortheilhaft für den Wirtschaftsbetrieb ist; sie sollen dann Einblick 
bekommen in die für den Bauern so wichtigen staatlichen Einrichtungen, 
Gesetze und Maßnahmen, vor allem auch in das sich immer weiter aus 
breitende Genossenschafts- und Versicherungswesen. Gewiß ein schöner, er 
habener Zweck, den sich die landwirtschaftliche Winterschule gesetzt hat! 
Der leitende Grundsatz bei den Winterschulen ist: Aus der Praxis 
für die Praxis. Alle vorgetragenen Unterrichtsfächer sollen Beziehungen zur 
Landwirtschaft haben und so gelehrt werden, daß sie der junge Bauer so 
gleich praktisch in der eigenen Wirtschaft seines Vaters verwenden kann. Die 
landwirtschaftlichen Winterschulen bestehen aus zwei Cursen, welche sich 
gegenseitig ergänzen und welche unbedingt alle beide besucht werden müssen, 
wenn der Schüler einen Nutzen aus dem Unterrichte ziehen will. Der erste 
Curs ist mehr theoretischer, der zweite praktischer Natur. Im ersten Winter- 
curse werden hauptsächlich die Grundsätze und Vorbedingungen eines gedeih 
lichen landwirtschaftlichen Betriebes gelehrt, im zweiten Wintercurse diese 
Grundsätze angewandt. Alle Fächer der Landwirtschaft werden durchgenommen, 
nichts bleibt unberücksichtigt. Auf der praktischen Anschauung beruht in jedem
	        
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