Volltext: Oö. landwirtschaftlicher Kalender 1905 (1905)

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Ein salomonisches Urtheil. 
Vor vierzig Jahren war's, in einer kleinen galizischen Stadt. Da begegnete 
Reb-Schmul dem Reb-Manasse. 
„Schulem-Aleichem," sagte Reb-Schmul. 
„Aleichem schalem," sagte Reb-Manasse. 
„Wohin gehen Sie?" fragte Reb-Schmul und der Reb-Manasse antwortete: 
„Wo werd' ich hingehen? Ich geh' nach Brody." 
Da hat der Reb-Schmul eine große Freude gehabt und war sehr beglückt über 
den Zufall, denn er hatte eine Bestellung nach Brody. Fünfzig Gulden wollte er seiner 
Frau schicken, der Esther, und der Post traute er nicht recht. Da bat er den Reb-Manasse, 
der Esther das Geld zu überbringen. 
„Gern," sagte der. Aber die Hälfte wollte er für die Mühe des Ueberbringens. 
Ob er meschugge sei, meinte der andere. Einen Gulden wolle er geben. Manasse 
aber zuckte die Achseln. Er wollte was haben für seine Mühe. Dem Reb-Schmul kam 
aber ein Gedanke. Er gab dem Reb-Manasse die fünfzig Gulden und sagte: 
„Gib der Esther so viel davon als Du willst." 
An seine Frau schrieb Schmul einen Brief: sie sollte sich nur an den Rabbi wenden, 
wenn der Reb-Manasse sie allzu stark übers Ohr hauen wollte. 
Des letzteren Reise dauerte drei Tage. Er überbrachte der Esther in Brody die 
Grüße ihres Galten und erzählte ihr, wie ihm Schmul die fünfzig Gulden gegeben und 
dazu gesagt: 
„Gib der Esther soviel davon, als Du willst." 
Und dann gab Reb-Manasse der Esther einen Gulden, denn neunundvierzig 
wollte er. 
Die Esther schrie: „Räuber, Dieb, Betrüger! Gib mir meine fünfzig Gulden!" 
Reb-Manasse sagte: „Ich gebe Dir soviel, als ich will!" 
Man gieng zum Rabbi. 
Der alte Graubart ließ fich den Hergang der Sache erzählen, und harktein be 
richtete ihm Reb-Manasse alles, zuvörderst das, was ihm Reb-Schmul gesagt: „Gib der 
Esther davon soviel, als Du willst." 
Die Sache war schwer zu entscheiden. Der Rabbi strich lange seinen grauen Bart, 
und der armen Esther klopfte schon das Herz vor Angst. 
Aber endlich hatte der Rabbi seinen Spruch gefunden: 
„Also sprich, Manasse, wieviel willst Du von dem Gelde?" 
„Neunundvierzig Gulden, Rabbi." 
„Also gib ihr soviel, als Du willst, die neunundvierzig Gulden und behalte den 
einen Gulden für Deine Mühe." 
Der Reb-Manasse jammerte und schwor das Blaue vom Himmel herunter, aber 
es hals nichts. 
Noch heute loben die Juden in Brody die Weisheit des Rabbi Fsaak-Hazadok, 
Isaak des Gerechten. (L. M. Liljen, Jugend.) 
Rüstige Ecke. 
Stilblüte. In den Acten eines Forstamtes findet sich folgende bureaukratische 
Stilblüte: „Die Schutzbeamten sollen anstatt der bisher bezogenen sechs Klafter Scheit 
holz vom nächsten Wirtschaftsjahre ab ebenso viele Prügel erhalten." 
Er nicht. Lehrer: „Zufrieden ist der Mensch nie; immer will er mehr haben!" , 
— Schüler (der soeben Schläge bekommen hat): „Ich nicht!" 
Fortschritt in der Landwirtschaft. Richter: Was sind Sie? — Zeuge: Oeko- 
nom! — Richter: Was war ihr Vater? — Zeuge: Wirtschaftsbesitzer! — Richter: 
Und Ihr Großvater? Zeuge: Bauer! 
Moderner Wunsch. A.: „Wenn man jetzt schon Pulver hat ohne Rauch, Wagen 
ohne Pferde imb telegraphieren kann ohne Draht, da bliebe nur noch eines zu wünschen 
übrig." — B.: „Und was wäre denn das?" — A.: „Eine Mitgift ohne Frau!"
	        
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