Volltext: Oö. landwirtschaftlicher Kalender 1903 (1903)

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obachten. Der Bauer trat aus dem Stalle, lud die Kannen ab, entleerte 
sie in einen großen Bottich und ließ sie dann in der brennenden Sonne 
stehen, ohne sie vorerst auszuspülen. 
Jetzt begab er sich in die Küche, wo er Frau, Tochter und Magd 
beisammen antraf. Er hatte kein Wort des Grußes; barsch fuhr er letztere 
an, was sie diesen Morgen mit der Milch gemacht habe, schon wieder 
hätten ihm drei Kunden abgesagt. Wenn er nicht überall nachsehe, so gehe 
alles schief. Diese seine Anschuldigungen würzte er durch zahllose Flüche 
und Schimpfworte. So entstand ein sehr unerquicklicher häuslicher Auftritt. 
Die Hausfrau, von Natur still und schüchtern und längst ans Schweigen 
gewöhnt, vergoß bittere Thränen, das Töchterchen suchte den Vater zu be 
schwichtigen und maß die Schuld der großen Hitze bei. Die Magd heulte 
aber in allen Tonarten. Sie wisse wohl, wo der Fehler liege, aber sie 
sage es nicht gerne. Gestern sei die alte Hexe, die tiefäugige Pfeffergrete, 
aus dem Wurzengraben vorbeigegangen; da sei es kein Wunder, wenn 
nachher die Kühe schlechte Milch geben. 
Schluchzend und brummend gieng die Magd endlich an ihre gewöhnliche 
Abendarbeit. Zuerst schleppte sie die unterdessen heiß gewordenen Milch 
gefäße an den Brunnen, spülte sie oberflächlich aus und stellte sie zum 
Austrocknen verkehrt auf eine staubige, schmutzige Bank. Dann gieng sie 
ans Melken. Die Kühe standen in einem dunkeln, dumpfigen, viel zu 
niedrigen und engen Stall und starrten vor Schmutz. Schmierig sparte mit 
dem Stroh, weil er so viel als möglich zum Verkauf erübrigen wollte; sie 
molk frisch darauf los, auch recht haushälterisch, das mußte man ihr lassen, 
denn schon die ersten Tropfen Milch kamen in den Melkkübel. Daß hin 
und wieder eine Kuh im Kampfeseifer gegen die Fliegen mit dem Schweif 
in die Milch schlug, kümmerte die Liese auch nicht; sie hatte an anderes 
zu denken — sie sann auf Rache an der Pfeffergrete. 
Die bereits gemolkene Milch blieb im dumpfen Stalle stehen, nachher 
wurde sie in schmutzige Holzgefäße gegossen und in den Keller gestellt, in 
welchem sich alle möglichen Dinge den Geruchsnerven bemerkbar machten, 
zum Theile in sehr aufdringlicher Weise. Am nächsten Morgen kam die 
schon halb verdorbene Milch in die schlecht gereinigten Blechgefäße, auf den 
holperigen Wagen, wo sie noch gehörig geschüttelt und gerüttelt wurde. So 
gieng es Tag für Tag. 
Schließlich kam es so weit, daß Peter auf den Rath des Trauben 
wirtes für die Besorgung des Viehes einen jungen, intelligenten Burschen 
anstellte, namens Jakob Findig. 
Jetzt gab's Revolution in Schmierigs Kuhstall und in der ganzen 
Wirtschaft. An Stroh durfte nicht mehr gespart werden, den Kühen wurde 
ein reinliches Lager gegeben, täglich wurden sie gehörig geputzt und ge 
bürstet. Bevor Jakob eine Kuh molk, reinigte er sorgfältig das Euter, band 
den Schweif fest und fieng die ersten Tropfen Milch gesondert auf; nur 
reiner und guter Stoff kam in den Milchkübel. War eine Kuh fertig ge 
molken, so trug Jakob die Milch sofort aus dem Stalle, um sie vorläufig 
an einem schattigen, reinlichen Platze aufzubewahren. Ein eigener kühler, 
stets peinlich rem gehaltener Raum mußte fortan der Abendmilch als Nacht-
	        
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