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„Sie geben also selbst zu, daß Sie ausgebrochen sind?/' beginnt er das Verhör.
„Freilich, freilich!" versicherte Änton eifrig. „Alle sind ausgebrochen."
„Alle? — wieviel waren es denn?"
„Fünf," jammerte Anton. „Vier Arbeiter — ach — um die wäre es kein so
großes Unglück — aber auch die Königin ist fort."
„Was? — eine Königin? Wie sah sie denn aus?" fragte spöttisch der Beamte.
„Ach — sie hatte goldene Augen — und schwarz und gelb geringelte Beine."
„Jetzt halten Sie 'mal hübsch die Gedanken zusammen, junger Mann," unter
bricht ihn strafend der Stationsvorstand. „Bleiben Sie 'mal hübsch bei der Sache —
und haben Sie jetzt nicht wieder Bienen im Kops."
„Aber im Kopf habe ich sie doch nicht!" jammerte Anton, „sondern in ."
„Na, wo denn?" ermuthigte der Beamte.
„In den Hosen." Das letzte Wort flüsterte Anton dem schallend Auflachenden
in die Ohren.
„Ich hatte ein Loch in der Tasche — da müssen sie durchgekrochen sein."
„Wer ist durchgekrochen?" fragte der Stationschef erstaunt.
„Nun, eben die Königin — und die vier Arbeiter —" klagte Anton.
„Hahahaha!" lachte der Stationsches — „eine Königin und vier Arbeiter in den
— hahahaha — na! nur ruhig — was schrei'n Sie denn schon wieder?"
„Au!" schreit Anton — „ich halte es nicht mehr aus!"
Die Glocke läutet ab. Noch immer lachend, tritt der Vorsteher zurück — seine
Schritte lenken sich zurll Telegraphen-Bureau, um dort die nöthigen Anordnungen zum
Empfang des „Irren" an der nächsten Station zu treffen.
Der Zug fährt. Anton ist allein. Er kann dann das Stechen nicht mehr ertragen.
Mit schnellem Entschlüsse streifte er die „Großcarrierte" ab und nähert sich dem Fenster.
Drei Bienen schwirren lustig ins Freie — zwei sitzen noch fest. Was hilft es — fort
müssen sie — und Anton schwenkt die Hose aus dem Fenster.
„Fahr wohl — treulose, tückische Königin!" ruft er schmerzlich — da huhuhu
huhuhu — rast der Schnellzug auf dem Nebengeleise vorüber. Dem tödlich Erschrockenen
ist zumuthe, als würde ihm der Kopf abgerissen — es ist aber nur die Hose, die der
tückische Schnellzug ihm entreißt und triumphierend — ans Nimmerwiedersehen.
Anton Bumke steht starr — in seiner Seele wird es Nacht. Und so steht er
noch minutenlang, ohne Rath — ohne Gedanken — und ohne — ach! selbst die Muse
verhüllt schaudernd ihr Antlitz.
Und nun wieder ein Pfeifen. Gellend — markerschütternd. Für ihn klingt's
wie ein Todesruf. Und jetzt dampft der Zug stolz in den menschengesüllten Perron. —
Da — er sieht sie stehen die Braut — die Schwiegermutter und ungezählte Be
kannte — und schaudernd verbirgt er sich hinter der sich öffnenden Thür. —
An ihr erscheint der dienstthuende Conducteur, winkt und der Vorsteher nebst zwei
Gendarmen nahen, sie zerren ihn vor. —
„Hahaha! jetzt hat er auch noch Toilette gemacht," lachte der Schaffner.
„Na, bei dem ist allerdings kein Zweifel," hörte Anton den Vorsteher sagen.
„Ruhig — ruhig, bringt einen Mantel!" schreit der Gendarm.
Der zweite Gendarm wirft seinen Mantel ab und wirft ihn über Anton —
einen Augenblick heftigen Sträubens, dann springt der Unglückliche mit wildem Satze
heraus — der Gendarm packt ihn — er reißt sich los — der Mantel bleibt in den
Händen des Gendarmen.
Ein Aufschrei von vier Lippen. Erröthend und schaudernd wendet die Braut ihr
Antlitz — zur Salzsäule erstarrt steht die Schwiegermutter. So sehen sie, wie Anton
abermals von seinen Verfolgern gepackt wird und mit ihnen in einer barmherzig ge
schlossenen Droschke verschwindet — — — — — — — — — — —
Anton Bumke aber hat nie wieder „Kreuzungsversuche" machen wollen, nie
wieder eine Imker-Ausstellung besucht und auch seine Braut hat er nie wieder
gesehen, da sie nicht Lust hätte, einen „Sansculotten" zu heiraten — wie sie ihm
empört schrieb.
„Ja! — Wenn einer Pech hat!!" E. R.