Volltext: Oö. landwirtschaftlicher Kalender 1892 (1892)

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Der Michel Voran. 
Beim Hofwirt sän die ganze Stuben voll Bauern und Arbeitsleut' 
beieinander g'sessen und hab'n g'red't über dös und das, — über die „guten 
alten Zeiten", über die vielen Steuern und über die Pfiffigkeit der Stadtleut. 
's is so der Brauch am Land. 
Da geht auf einmal die Thür auf und der Müller Michel, den feine 
Nachbarn wegen feiner fortschrittlichen Gesinnung spottweis' nur den Michel 
Voran nennen, steht da in feiner ganzen Lebensgroß' und thut einen Hellen 
Juchzer. 
„Na, Michel Voran," sagt verwundert der Stoan-Bauer, der's wohl 
am wenigsten noth hat, 's Maul so voll z'nehmen, weil's eh schon die Spatzen 
am Dach pfeifen, daß's mit der Wirtschaft g'waltig abwärts geht, — „na, 
Michel Voran, was stehst d' denn da voller Freud'n mit an' G'sicht, das 
glanzt, als wann's mit Speck g'schmrert wär'? Hast leicht wieder a neue 
Entdeckung g'macht oder hast am Ende gar den Schlüssel zur Glückseligkeit 
g'funden?" 
„Das grad net," hat der Michel erwidert, „aber an Stoß Banknoten 
hab i mir heimtragen ans der Stadt, damit ich dir die Augen auswischen 
kann, daß d' endlich amal sehend wirst, du Stoan—köpf, du hirnverbrannter!" 
Alles hat gelacht über diese tüchtige Abfertigung und der alte Gries- 
hnber hat mit einer bedächtigen Miene g'meint: „Is von alters her so 
g'west: „Aus einen groben Klotz g'hört ein grober Keil." 
„Ja, aber, was gibt's denn eigentlich?" haben a paar Bauern neu 
gierig g'fragt, und der Müller Michel hat net lang mit der Antwort warten 
lassen. 
„Nachbarn, da schaut's her," hat a g'sagt und hat eine schwere Brief 
taschen aus dem Sack herauszogen, „blanke 500 fl. hab' i heut in der 
lieben Weanerstadt beim .Allgemeinen Beamtenverein' behoben und das 
ohne einen Kreuzer Abzug! Gehörerl meiner älteren Tochter, meiner mudel 
sauberen Rest." 
Fünfhundert Gulden! Und g'wiß ist's, und wahr ist's und da liegen 
sie aufem Tisch zum Anschauen, die lieben schönen Bildln. Gar manchem 
hat's an Stich geb'n in der linken Rocktaschen, der bis ins Herz gangen 
is und „so geh, Michel Voran, erzähl weiter und ruck heraus mit der 
Färb, es verinteressirt uns!" hab'n alle durcheinander g'schrien. 
Der Müller Michel hat an Schluck Bier t'han und dann hat er also 
ang'hob'n: 
„Grad heut is zwanz'g Jahr, daß a Mann zu mir is knmmen; 's 
hat net lang dauert, hab i g'wußt, daß's an Agent is. 
„I sollt' mi auf Leb'n und Tod versichern lass'n und sollt' auf die 
vernünftigste, billigste Art und Weise sparen für mein Weib und für meine 
lieben Kinder. — A Längs und a Broats hat er mir erzählt und hat a 
Weil etwas herausg'lesen ans an'n dünnen Büchel, wo alles festgestellt 
und berechnet war bis auf das letzte J-Tüpferl. 
„Oan .Tarif' hat er aufgezählt nach dem andern. Is schon recht, 
hab i g'sagt, es leucht' mir schon ein (i bin net so vernagelt wie der
	        
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