Volltext: Oö. landwirtschaftlicher Kalender 1892 (1892)

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Als der Leichenzug vor'm Grubenhof vorbeigieng, stand der junge 
Grubenbauer hinterm Fenster. 
Höhnischen Blickes folgte er demselben. Kein Mensch — und jeder 
von den Geleitgebern blickte nach dem Grubenhof im Vorbeigehen — hat 
den Hans gesehen. Nur eines einzigen Mannes Blick hat ihn erspähet und 
auch getroffen. 
Der Mann hinterm Sarg schreitend — mit dem verbundenen Kopf 
— war's. Aus diesem Blicke empfand der Grubenbauer ein gewisses Etwas,; 
das ihn an Vergeltung mahnte. 
Jahre waren vergangen. Ganz fremde Leute hatten den Besitz des 
Schmiedes um ein Lumpengeld bei der Versteigerung erstanden und wirt 
schafteten nun an jener Stelle, welche einst zum Heim eines glücklichen Paares 
bestimmt war. Der ganz alte Grubenbauer war auch mittlerweile ge 
storben und sein Weib ruhte neben ihm auf dem Kirchhof. 
Ganz allein stand der Grubenbauer Hans eines Morgens im Hofe 
und schaute hinunter ins Dorf. Was sich der wohl dachte? 
Im Dorfschulmeisterhaus waren auch ganz fremde Leute. Der alte 
Lehrer lag im Grüblein und die Rosl war vor just vierzehn Tagen an 
dem hitzigen Fieber gestorben. Auch sie ruhte nun in Gottes heiliger Erde. 
Nur von Einem wußte man nichts und zwar vom Schmied 
Rudolf. Der war gleich, nachdem sein Besitz verkauft, aus dem Dorfe 
verschwunden. Niemand hörte mehr etwas von ihm, alle Bemühungen, 
seinen Aufenthalt zu ergründen, waren umsonst. 
Und es vergiengen wieder mehrere Jahre. Der Grubenbauer stand 
wieder am Fenster und schaute hinaus in den Sternenhimmel. Eine helle, 
klare Nacht, kein Lüftchen rührte sich am Himmel. 
Die Glocke der Thurmuhr in Krieglach schlug zehnmal in die ruhige 
Nacht hinaus. 
Da gieng ein bärtiger Mann übers Gebirge, dem Grubenhofe zu. 
In seiner Rechten trug er einen mächtigen Knotenstock, um seine Achseln 
gehängt hatte er eine lederne Tasche. 
Langsam und bedächtig schritt er vorwärts, in tiefe Gedanken ver 
sunken. Manchmal zuckte es schmerzlich um seine Mundwinkel und manchmal 
wieder sah er ergrimmt drein, als ob er die Welt aus den Angeln heben 
wollte. Plötzlich rief er unter Gottes freiem Himmel aus: 
„O, Gerechtigkeit, welch lügenhaftes Wort du bist!" 
Da rollte es ganz langsam am Himmel oben in den dunklen Wolken 
und verkündete das Herannahen eines Gewitters. 
Der Wanderer hielt stille: Und wenn's doch eine Gerechtigkeit gäbe? 
tönte es wieder in seinem Innern. 
Da hörte er wieder die Worte: „Amtsdiener, thut Euere Schuldig 
keit!" und er sah einen Knotenstock auf seinen Kopf sausen und einen 
alten Greis todt im Bette liegen.
	        
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