Volltext: Oö. landwirtschaftlicher Kalender 1892 (1892)

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Bet' nur zu, Rosl, recht treu und innig, er wird dich schon erhörn, 
der Herrgott! 
Und es war wieder acht Tage darnach und 'n Rudolf sein kranker 
Vater war sehr schlecht. Die Krankheit hatte sich in hohem Grade ver 
schlimmert, so daß der Doctor es für gerathen fand, den Geistlichen 
holen zu lassen, auf daß der Schmied mit der letzten Wegzehrung ver 
sehen werde. 
Der junge Grubenbauer stand gerade beim Gericht heraußt vorm 
Thor mit dem Amtsdiener eifrig sprechend, als der Pfarrer zum Ver 
sehen gieng. „Wird wohl nicht lange dauern," sprach Hans „mittlerweile 
kommt der Doctor, dann können wir gehen." 
Und es dauerte wirklich nicht lange und der Pfarrer kam zurück. 
Der Advocat ließ den Hans auch nicht lange warten und gieng mit 
einem Pack Acten unter dem Arm einher. 
Dann giengen alle mit einander: der junge Grubenbauer, der Advocat 
und der Amtsdiener der Dorfschmiede zu. 
Beim Schmied da sah's gar traurig aus. Entkräftet, das schneeweiße 
Haupt auf der Brust fast liegend, lag Chrysostomus Oberndorfer, der 
alte Schmied, im Bette. Auf einem Sessel, an der Kopfseite des Bettes, 
saß Rosl, die Medicinflasche in der Hand. Sie hatte gerade dem Alten 
einen Suppenlöffel voll Medicin durch die bleifarbenen Lippen in den 
Mund gegossen. Beim Fenster an der Fußseite des Bettes stand Rudolf, 
des todtkranken Schmiedes einziger Sohn. Bleich wie Kalk war sein Gesicht 
und um seine Lippen herum zuckte es. 's ist ein harter Kampf in eines 
Mannes Brust, im Schmerz die Thräne nicht zu finden. 
Rosl stand auf vom Sessel, küßte den alten Mann auf die Stirne 
und wünschte ihm gute Besserung. Mit einem Blick unendlicher Liebe sah. 
sie der kranke Schmied an. Alles, alles lag in diesem Blick. Tausendfacher 
Dank für die Liebe und Hingebung, welche des Schulmeisters Tochter ihm 
entgegenbrachte, und etwas anderes lag auch noch drin, das war die Bitt': 
„dem Rudolf treu zu bleiben". Nochmals beugte sich Rosl und küßte 
die Hände des alten Mannes, als ob sie sagen wollte: „Ich habe dich ver 
standen". Dann trat sie zum Fenster und reichte Rudolf die Hand. „Leb' 
wohl, Rudolf," hat sie g'sagt, „heut' am Abend komm' ich wieder." 
Fest hielt Rudolf der Rosl ihre Hand in der seinigen. Dann zog er 
sie hinaus zur Thür, hinüber ins kleine Stüblein. 
„Rosl," sprach er dort, indem er seine Geliebteste fest an sich zog, 
„hast mich wirklich lieb, so wie du es schon so oft zu mir gesagt? Wir 
mir niemals untreu werden, auch wenn Unglück über mich hereinbrechen 
sollte? Oder gar," und jetzt fieng er zu zittern an am ganzen Körper, „am 
End' den Hans zum Mann noch nehmen?" 
Statt aller Antwort fiel ihm die Rosl um den Hals. 
„Wenn ich dir nicht gehören kann, Rudolf, einem anderen, mag er sein 
wer immer, nie und nimmermehr! „Und dem Grubenbauer — o, Rudolf — 
bevor dem angehören, eher wollte ich sterben."
	        
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