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Derumhrloste Obstbäume.
Ja, wer mit Erfolg Obstbau treiben will, der muß freigebig in feine
Tasche greifen, denn es gibt eine Freigebigkeit, welche bereichert, und eine
Sparsamkeit, welche ruinirt.
Wer sparsam ist im Ankäufe von Obstbäumen, wer aus Sparsannkeit
die Baumlöcher nicht weit und tief genug machen läßt, wer es an Baum
pfählen, an der nöthigen Düngung, an der Baumpflege fehlen läßt, der
sollte sich lieber der Obstbaumzncht enthalten. Häufig kann man noch
Bäume sehen, die sich noch in einem ganz verwahrlosten Zustande befinden.
Krumm und halb zur Erde geneigt sind sie mit Moosen und Flechten be
deckt und in den Kronen befinden sich zahllose Misteln, die alle an dem
Baume schmarotzen und ihn aussaugen. Wenn man derartige Bäume sieht,
die auch noch gleichzeitig womöglich Hungersnoth zu leiden haben, die kaum
imstande sind, sich selbst zu ernähren, geschweige denn Früchte zu tragen, so
kann man da von einem rationellen Obstbau nicht sprechen. Trägt aber
merkwürdigerweise ein solch verwahrloster Baum, so geht es ihm häufig
erst recht schleckt. Dann kommt man mit Haken und Stangen, sticht ihn,
schlügt ihn, schüttelt ihn, bis nicht allein sämmtliche Früchte unten sind,
sondern auch zahllose Blätter und Knospen den Boden bedecken, wodurch
zugleich die nächstjährigen Obsternten vernichtet wurden. Armer Obstbaum,
auch du mußt häufig erfahren, daß Undank der Welt Lohn ist!
Die zehn Hauptregcln des Obstbaues?)
Damit sich unsere verehrten Leser die wesentlichsten Lehren und Ge
sichtspunkte, welche bei der Pflanzung und Pflege der hoch- und halbhoch
stämmigen Obstbäume in Betracht kommen, immer ins Gedächtnis zurück
rufen können, haben wir versucht, dieselben in zehn Hauptregeln zusammen
zufassen.
Sie werden es dem Einzelnen gestatten, sich solche leicht einzuprägen,
und dürften sich auch dazu eignen, auf Kosten von landwirtschaftlichen und
Obstbauvereinen in Placatform gedruckt an die Mitglieder vertheilt und an
öffentlichen Orten aufgehängt zu werden.
L Willst du Obstbäume pflanzen oder ein Baumgut anlegen, so
wähle dazu den passendsten Boden aus, welcher dir zur Verfügung steht,
denn der beste Boden ist für den Obstbaum gerade gut genug. Nassen
Boden entwässere durch Drainiren, aus steinigem entferne die größeren
Steine, und suche jeden Boden durch eine geeignete Bearbeitung und Dünger
soviel als möglich zu verbessern.
Wähle für Klima, Boden und Lage geeignete Sorten, welche in
deiner Gegend erfahrungsgemäß gedeihen, und beschränke dich auf einige
aber erprobte Sorten. — Aepfel und Birnen sind immer am einträglichsten,
dann folgen Pflaumen und Kirschen.
•) Aus Gauchers „Prakt. Obstbaumznchter" entnommen.