Volltext: Oö. landwirtschaftlicher Kalender 1882 (1882)

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Insbesondere meint Professor Schleiden zu Jena (Pflanzen und ihr 
Leben, 3. Auflage, pag. 341), daß der Name Türkisch Weizen —> im 
Neugriechischen Arabisch Korn genannt — auf orientalischen Ur 
sprung deute. 
Auch Bonafous sucht in einem Werke über den Mais (1836) zu be 
weisen, daß derselbe schon vor der Entdeckung Amerikas in Indien und 
Aegypten angebauet worden sei, so daß er also beiden Welten angehöre. 
Endlich dürfte nicht zu vergessen sein, daß Siebold in gewissen Ja 
panischen Sinnbildern Maiskolben entdeckt hat. Es ist allerdings 
keineswegs erwiesen, in welche Zeit der Kultur diese Bilder zurückdeuten; die 
Frage liegt aber sehr nahe: Sollten diese Symbole nicht auf Beziehungen 
zur amerikanischen Kultur hinweisen, wie sie in Amerika so häufig in den 
alten Kulturstaaten der Azteken und Tolteken, in deren Kalenderwesen, im 
Gotteskultus, im Baustyle, selbst in der Schädelbildung, mit Asien auf 
gefunden wird? Manche Eigenthümlichkeiten in der Flora ostasiatischer Länder, 
die mit den amerikanischen Typen übereinstimmen, würden dadurch eine leichte 
Erklärung finden. (Das Pflanzenleben der Erde von Dr. Wilhelm Habsch.) 
Aus dem Gesagten stehet nun so viel geschichtlich fest, daß der An 
bau des Mais in Europa von Amerika herüber geschah, wo er Anfangs 
als Zierpflanze und später durch die liebe Noth, die beste Lehrerin der Menschen, 
als Brodpflanze kultivirt wurde! 
Bon Amerika brachte ihn Christoph Columbus (1493) nach Europa. 
Man würdigte sehr bald die bedeutenden Vortheile seines Anbaues, seiner 
Ergiebigkeit und Nahrhaftigkeit, und im Jahre 1520 wurde er in Spanien 
schon allgemein kultivirt. 
Schon im Jahre 1600 war der Mais ein sehr bedeutender Handels 
artikel der Lombarden und Venetianer, die ihn nach der Levante 
ausführten, von wo er unter dem Namen „Türkischer Weizen" nach 
Ungarn verpflanzt wurde. 
Aus der Lombardei gelangte er bald nach Tirol und in die Rhein 
gegenden, wo man ihn „Welschkörn" hieß. 
Jetzt wird er überall gebaut, in Steiermark, in der Türkei, in Ober- 
österreich, in der Wallachei, in Kroatien und Galizien, Kukuruz, Gugrutz, 
Gugoriza genannt. In der ungarischen und böhmischen Sprache heißt dieses 
Gewächs gleichfalls t ü r k i s ch e r W e i z e n, aber nicht Kukuruz. 
Schon der besondere Umstand, daß der Mais 80 Prozent Stärk mehl 
enthält, beweiset seinen großen Nutzen als Getreidepflanze. Er war 
und ist als Brodfrucht für Amerika so wichtig und nützlich als der Reis für 
Asien; die gütige Natur weiß und schafft ja überall das Beste! 
Die Italiener machen aus dem Mehle einen Brei, welcher von dem 
Landvolke täglich unter dem Namen Polenta (Welschkornbrei) ge 
gessen wird. 
Weniger bekannt ist, daß die Amerikaner aus dem Mais und seinem 
Theile weingeistige Getränke bereiten, welche als Pulqne, Chica u. s. w. 
beliebt sind. 
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