Volltext: Oö. landwirtschaftlicher Kalender 1880 (1880)

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Andere Zeiten, andere Wege. 
So mancher ältere Landwirth findet sich heutzutage veranlaßt — Vergleiche 
zwischen vormals und jetzt anzustellen, und einen Rückblick auf die letzten 
Jahre werfend — den Ursachen nachzugrübeln: warum ihm heutzutage das 
Leben gar so sauer wird, warum er ganz besonders in seinem, vom Vater 
schuldenfrei übernommenen, von der Last der Robot, des Zehents und 
sonstiger herrschaftlicher Gaben befreiten Hauswesen trotz seines Fleißes und 
emsiger Thätigkeit seiner braven Hausfrau nicht nur nicht vorwärts kam, 
sondern (wie leider so Viele) gar eine Schuldenlast sich aufwälzen mußte, 
die ihm seine alten Tage verbittert, da er in der Kapitalschuld einen Zehrer 
sich zu Gaste nahm, der ihm die besten Bissen aus der Schüssel wegschnappt. 
Er gedenkt der Anfangsjahre seiner Hauswirthschaft, in welchen er für 
einen Metzen Korn kaum 2 fl. K.-M., für einen Mastochsen kaum 60 fl. 
K.-M. eingenommen, und gedrückt von Dienst und Zehent dennoch mit 
Gottes Hilfe seine Geschwister nach und nach hinausgezahlt, später das 
Grundentlastungskapital getilgt, sogar sein Haus kleinweise in besseren Bau 
zustand versetzt hat, während er seit Jahren mit einer gegen vormals fast 
verdoppelten Wirthschaftseinnahme nur mit Noth seinen Haushalt bestreitet 
und jedem Zins- und Steuertermin mit banger Sorge entgegensieht. 
Von dieser alljährlich mehrmals wiederkehrenden drückenden Sorge be 
herrscht, findet der von Jugend auf an das Denken und Rechnen wenig ge 
wohnte Landmann in seinem Steuer- und Gabenbüchel den ursächlichen 
Hauptgrund seiner Nothlage. Es verbittert sich sein Gemüth, er grollt der 
Neuzeit mit ihren Einrichtungen, deren Wohlthaten er gering schätzt, da er 
selbe mit so schweren Opfern erkaufen muß. 
Würde der grollende Landmann, seitdem er haust, eine ordentliche Aus 
schreibung über alle Einnahmen und Ausgaben seiner Wirthschaft und seines 
Haushalts geführt haben, so würde ihm dieselbe eine andere Anschauung über 
den fortschreitenden Rückgang seines Wohlstandes aufdringen; eS würde ihm 
klar werden, daß nicht blos sein Antheil an der öffentlichen Last (Steuer), 
sondern die Ge sammt summe seines Wirth schuft s- und Haus 
halts-Aufwandes seit 30 Jahren nach und nach mindestens auf das 
Dreifache (von 100 auf 300) gestiegen ist, während der gleichzeitig ebenfalls, 
jedoch in weit geringerem Grade gestiegene Marktpreis der Boden 
produkte und des Viehes, seine Wirthschaftseinnahme kaum auf das Doppelte 
(von 100 auf 200) hob, die Menge seiner Bodenp rodukte und 
die Schwere und Nutzung seiner Wirthschaftsthiere aber 
nicht zu nahm. Das hieraus resultirende, immer wachsende, schädliche 
Mißverhältniß zwischen Einnahme und Ausgabe desLand- 
mannes, das ist das fressende Uebel, welches den meisten Landwirthen, und 
ganz besonders den Besitzern von Landgütern, die abseits oder ferne von 
Eisenbahnen, schiffbaren Flüssen und volkreichen Städten liegen, das Leben 
jetzt so sauer, das Vorwärtshausen so schwer, und in gar vielen Fällen den 
Verfall in Schulden unvermeidlich macht. 
Dieses Uebel macht sich um so fühlbarer, je weniger Ueberschuß der 
Bauer nach seinem Hausverbrauch zum Verkauf erübrigt, je weniger er daher
	        
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