Volltext: Oö. landwirtschaftlicher Kalender 1873 (1873)

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geschah mit angekauften Wildlingen vor 5. Jahren und wurde abtheilungs 
weise jährlich fortgesetzt. 
Die Veredlung geschieht durch Spaltpfropfen, Oculiren und Kopuliren; 
die Baumschule ist in kleine Beete abgetheilt; die verschiedenen Sorten, mit 
besonderen Nummern auf den Beeten ersichtlich, sind zur Vermeidung von 
Verwechslungen in einem eigenen Verzeichnisse genau eingetragen. 
Sowohl die Beete als auch die Wege sind sehr rein gehalten, eben so 
sind die Bäumchen vorzüglich gepflegt, wodurch das glückliche Anwachsen und 
üppige Gedeihen der Veredlungen in diesem ärmlichen Boden erklärlich wird. 
Die Erziehung der Bäumchen zu Hochstämmen sollte ursprünglich nach 
Dietrich'scher Methode ohne Stangen geschehen; leider wurden bei den älteren 
Aepfelbäumchen, durch ein Mißverständniß des Arbeiters, die unteren Neben 
triebe entfernt, wodurch bei denselben die Anwendung von Pfählen nun noth 
wendig ist. 
Außer den Obstbäumen sind hier auch viele Rosen in schönen, dankbar 
blühenden Sorten veredelt. 
Die Arbeiten verrichten Sträflinge, und zwar die mittellosen gegen 
besondere Entlohnung; das ganze Unternehmen gründete, über Anregung des 
hohen Landesgerichts - Präsidiums zu Linz, mit nicht unbedeutenden Kosten 
Herr Ludwig Pokorny, k. k. Staatsanwalts-Substitut daselbst, ein besonderer 
Freund der Obstbaumzucht, welcher die verschiedenen Veredlungsarten selbst 
verrichtet, das Ganze leitet und die hierbei in Verwendung stehenden Sträf 
linge in den Baumschularbeiten unterrichtet. 
Diese Unglücklichen, welche sich durch diese Beschäftigung den Aufent 
halt im Freien sichern, sind fleißig und dankbar; denn solch' eine Beschäf 
tigung erleichtert ihnen den Aufenthalt und veredelt auch ihr Gemüth; ferners 
ist die kleine Entlohnung und besonders der hier sichtliche Erfolg ihrer Be 
mühung in der Baumschule ein Sporn zu neuer Thätigkeit. 
Der Nutzen würde ein noch größerer sein, wenn solche dem bäuerlichen 
Arbeiterstande ungehörige Sträflinge hier in Verwendung kommen könnten, 
welche nach ihrer Rückkehr in der Lage wären, die erworbenen Kenntnisse zu 
verwerthen. Wie ich daselbst erfuhr, sollen bereits 2 solche Individuen nach 
ihrer Entlassung als Baumgärtner dauernde Beschäftigung gefunden haben. 
Eben deßhalb wurde schon öfters und besonders auch bei dem letzten 
Congresse in London der Wunsch ausgesprochen, bei größeren Gefängnissen 
Baumschulen zu errichten. 
Nun, hier besteht diese nützliche Einrichtung in stiller Bescheidenheit 
und wirkt gewiß wohlthätig. Es wäre daher ungemein zu bedauern, wenn 
diese Baumschule, wie verlautet, im nächsten Frühjahre wieder ausgelosten wer 
den sollte, indem der jetzige Privat-Unternehmer Herr L. Pokorny, in Erwar 
tung einer ämtlichen Versetzung, zur Deckung der bisherigen Auslagen, sämmt 
liche veredelte Bäumchen zu verkaufen gesonnen ist. 
Meiner Ansicht nach wäre es gewiß möglich und mit geringen Mitteln 
ausführbar, diese wohlthätige Einrichtung nicht nur zu erhalten, sondern auch 
in dem noch verfügbaren Raume des Strafhausgartens zu vergrößern. Bestel 
lungen auf abgebbare Bäumchen übernimmt die k. k. Landw. Gesellschaft. 
Josef Runkel.
	        
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