Volltext: Oö. landwirtschaftlicher Kalender 1873 (1873)

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Thierquälerei zu bezeichnen, da das Thier dem so ungewohnten Zwang selbst 
verständlich sich anfänglich rücksichtslos zu entziehen bemüht sein wird, was 
zu Widersetzlichkeiten, welche nach Umständen wegen den Schmerzen zu einem 
heftigen Kampfe sich steigern müssen, führt. 
Viele meinen, der Ring müsse gegen oben am Kopfe aufgebunden wer 
den, und ich kann dieses Verfahren als zweckmäßig, ja sogar als nothwendig 
zugeben, wenn die Ringe sehr plump und übermäßig groß sind, nicht nach 
oben angegebenem Maße ausgewählt sind, oder endlich auch in dem Falle, 
wenn einzelne Stiere sich sehr ungern am Kopfe beikommen lassen und es 
bei ihnen nicht rathsam ist, sie frei an den Brunnen oder zum Sprunge zu 
den Kühen hinausgehen zu lassen, wo man also täglich den Ring abfangen 
muß, um einen Strick anzuschleifen oder einen Leitstock einzuhängen, wozu 
sich einzelne Thiere nicht gerne hergeben. Doch lassen sich die allermeisten 
Stiere bei verständiger Behandlung diese Manipulation gerne gefallen, gerade 
wie das Aufbinden und Zuschließen der Halsriemen. Ist man genöthigt, 
ständig ein Leitseil am Ringe zu lassen, so beachte man wohl, daß Stricke 
in kurzer Zeit durch die Einwirkung des Speichels auf die Pflanzenfaser, 
sei sie nun von Lein oder Hanf entnommen, so zersetzt werden, daß sie 
brüchig werden und schon bei schwacher Zerrung abbrechen, so daß man fast 
alle 14 Tage einen neuen Anbindestrick nöthig hätte. Es ist deshalb zweck 
mäßig, das Leitseil unmittelbar am Ringe auf eine Strecke von etwa 1 Schuh 
Länge in Form einer leichten Kette herzustellen, der übrige Theil kann ein 
Lederriemen sein, welcher in einen weiteren Ring am letzten Ketteugliede ein 
genäht ist und am Ende mit einer Schnallensteppe versehen sein soll, so daß 
dieses Endstück vor der Stirne, nachdem man mit dem Riemen die Horn 
wurzeln umgangen hat, in den weiteren Ring am Ende der Kette wieder 
eingeschnallt werden kann. Der Riemen muß selbstverständlich in seiner Länge 
abgemessen sein nach dem Umfang der Hornwurzeln, er wird dann auch lang 
V- genug sein, um das Thier daran führen zu können, wenn dieses schon an 
gewöhnt und nicht bösartig ist. 
Für das Aufbinden der Ringe ist es gut, wenn die Ringe etwas groß 
sind, weil sie dann beim Hinaufziehen gegen oben die oberen Ränder der 
Nase nicht belästigen; für gewöhnlich sind jedoch die kleinen Ringe viel zweck 
mäßiger, weil sie beim Fressen gar nie hindern, während die größeren unter 
Umständen, d. h. je nach der Art der Futtergeschirre, z. B. bei engen Raufen 
und beim Vorlegen von Rauhfutter in der Raufe die Futteraufnahme etwas 
behindern können. 
Der Rueffsche Leitstock. 
Bei bösartigen Thieren kann man sich auf einen einzelnen Strick nicht 
verlassen, überhaupt nicht auf ein schmiegsames Leitseil, weil ein solches nicht 
verhindern kann, daß das Thier gegen den Mann springt, obgleich dieser 
durch einen raschen Ruck das Thier für seine böse Absicht bestrafen kann und 
* in vielen Fällen bei einiger Aufmerksamkeit und gehöriger Strenge das Thier 
doch auch mit diesem unvollkommenen Bändigungsmittel bemeistert und im 
Respekt hält. Zur besseren Sicherheit sind aber doch die Leitstöcke als un-
	        
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