Volltext: Oö. landwirtschaftlicher Kalender 1900 (1900)

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Gährung des Mostes. 
(Dazu Abbildung „Gährspund".) 
Das Wesen der Gährung besteht bekanntlich darin, daß der in dem 
Moste enthaltene Zucker in Kohlensäure und Alkohol zerfällt. Der ganze 
Gährungsproceß wird durch unendlich kleine Hesepilze bewirkt. Um den 
Most in Gährung zu versetzen, ist ein besonderer Zusatz von Hefe nicht 
nöthig. Die Keime jener Hefenpilze sind nämlich in der Luft in sehr großer 
Zahl vorhanden; sie befinden sich auch in Menge an den Fruchtschalen der 
Beeren und des Obstes. Den Eintritt der Gährung erkennt man daran, 
daß das in die Nähe des offenen Fasses gebrachte Ohr ein brausendes 
Geräusch hört, das von den nach oben steigenden Kohlensäurebläschcn ver 
ursacht wird. Anfangs verläuft die Gährung ziemlich stürmisch, später 
wird sie immer schwächer und erlahmt mit zunehmendem Alkoholgehalt 
derart, daß stark versüßte Moste oft noch einen Ueberschuß an unvergohrenem 
Zucker zurückbehalten. Beim Verlaufe der Gährung unterscheidet man: 
1. Stürmische Gährung. 2. Hauptgährung. 3. Nachzählung. 
Die stürmische Gährung verläuft um so schneller, je höher die 
Temperatur im Gährraume ist. Eine gleichmäßige Wärme von 15 bis 
20o 0. dürfte für den richtigen Verlauf derselben am besten sein. Die 
Dauer derselben ist sehr verschieden, da außer der Temperatur auch noch 
manche andere Umstände als hemmend und fördernd mitwirken können. 
Bei der stürmischen Gährung darf das Faß nicht spundvoll sein; das 
Spundloch bleibt während oder wenigstens zu Anfang derselben offen. 
Größere Gebinde sind empfehlenswerter, weil in ihnen, infolge höherer 
Temperatur-Entwicklung, die Gährung vollkommener und besser vor sich geht. 
Nachdem die erste Periode der stürmischen Gährung vollendet ist, 
beginnt die Hauptgährung und muß der gährende Wein vor dem Zutritte 
von Luft geschützt werden. Die in der Luft befindlichen Essigpilze, die 
Zerstörer des Weingeistes, können nur dann in der betreffenden Flüssigkeit 
vegetieren, wenn der Sauerstoff der Luft, den sie zu ihrem Zerstörungs 
werke so nöthig haben, an die Oberfläche derselben gelangt. Solange nun 
die Gährung eine stürmische war, entwickelte sich reichlich Kohlensäure, die 
den leeren Raum im Fasse ausfüllte und der leichteren Luft den Eintritt 
versperrte. Sobald aber die Gährung nachläßt, können die geringen Mengen 
der Kohlensäure der eintretenden Luft nicht mehr den Weg versperren. Es 
ist also jetzt Gefahr, daß Essigpilze in der langsam vergährenden Flüssig 
keit sußfassen. Deshalb muß man für einen Luftabschluß sorgen, jedoch 
in der Weise, daß die sich entwickelnde Kohlensäure ans dem Fasse ent 
weichen kann. Wollte man, um den Luftzutritt zu verhindern, das Faß 
einfach zuspunden, so müßte es, falls der Spund zu fest sitzen würde, 
unfehlbar explodieren. Aus diesen Gründen setzt man auf das Faß einen 
Gährspund, wie Fig. 10 zeigt. Dieser ist ans Steingut oder Glas gefertigt 
und besteht aus zwei Theilen: dem durchbohrten Spunde ä mit einer 
schalenförmigen Erweiterung e und einem übergestülpten Gefäße b. Wird 
der Spund luftdicht in das Spundloch eingedreht und die Schale 
zur Hälfte mit Wasser gefüllt, so kann die in dem Moste sich ent-
	        
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