Volltext: Oö. landwirtschaftlicher Kalender 1900 (1900)

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Zotenreißen, und wehe demjenigen, der diese Lästerallee passieren mußte. 
Die Frauen betheiligten sich nach Kräften und die schwarzen ungezogenen 
Kinder waren ein Schrecken für die Nachbarschaft und für die Jugend. 
Da kam ein neuer Betriebsdirector an das große Hüttenwerk, welcher 
manche Neuerungen einführte und jeder der Fabrikswohnungen ein Stück 
Garten, dazu 2 Apfelbäume, 2 Birnbäume, 2 Pflaumenbäume und 
2 Kirschbänme zuwies, die nach seiner Anweisung gepflanzt werden mußten. 
Demjenigen aber, der nach einem Jahre den Garten am schönsten hätte, 
bewilligte er aus Fabriksmitteln einen Preis. Die Arbeiter siengen an in 
ihren Gärten zu arbeiten, anfangs zumtheil nur gezwungen, da der neue 
Directcr fast jeden Abend einmal an den Gärten vorbeispazierte und 
Lob und Tadel nicht sparte. Allmählich aber wurde die Sache anders, die 
Arbeit weckte das Interesse, der eine wollte es besser als die anderen 
machen. Das Eis war gebrochen. Dann begann das Tauschen unter 
Freunden und Bekannten, die Bäume wurden gepflegt und vermehrt und 
bald wurde auch der gute Einfluß davon bemerkbar. Wenn die Mänüer 
von der Schicht kamen und gerastet hatten, legten sie sich nicht vor die 
Häuser und rempelten die Vorübergehenden an, sondern sie stopften ihr 
Pfeifchen und giengen zum Garten. Dort fanden sie immer, und zwar 
angenehme und lohnende Beschäftigung, und wer fleißig arbeitet, der hat 
gar keine Lust, die Vorübergehenden zu verspotten oder sich zu zanken oder 
zu schlagen. So kam es, daß zunächst die wüsten Raufereien aufhörten. 
Die Frauen aber gewannen den Gartenbau erst recht lieb. Sie konnten 
jetzt besser und billiger kochen, trotzdem sie durch die jetzige Lebensart der 
Männer viel mehr Geld zur Verfügung hatten wie früher, als diese so 
viel in Schnaps umsetzten. Sie griffen daher auch herzhaft mit zu und 
vermehrten den Verdienst. Endlich entdeckte gar ein Prakticus, daß die 
geschützte Lage ihrer Gärten sich vorzüglich dazu eigne, Frühpflanzen zum 
Verkauf heranzuziehen, es gelang und seitdem sah man die Bauern und 
Gartenbesitzer ebenso fleißig dort Setzpflanzen kaufen gehen, als sie früher 
den Ort vermieden. Die Pflanzen waren dort immer 1—l 1 /* Wochen 
früher zu haben als anderswo. Das brachte einen hübschen Pfennig Geld 
ein, ebenso der Ueberschuß, den einige auf dem Markte verkaufen konnten. 
Nach 5 — 6 Jahren war der Ort nicht mehr zu erkennen. Statt der 
früheren Raufbolde enthält er ruhige, arbeitsame Leute. Die Kinder sind 
gut angeleitet. Alle sind besser gekleidet und genährt. Die Sauberkeit und 
Nettigkeit der Häuschen, die reinen Gardinen, kurz, alles in allem verräth 
einen gewissen Wohlstand. Die Leute sind geachtet, glücklich und zufrieden. 
Und wem verdanken sie diese wohlthätige Aenderung? Dem Gartenbau 
und dem hochherzigen Director, der dazu verhalf! Dies ist ein Beispiel 
aus dem Leben, aus der Gegenwart! Ich erzähle es, weil ich glaube, daß 
noch in manchen Gegenden der Gartenbau in gleich glücklicher Hinsicht 
wirken könnte.
	        
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