„Atpentändische Musiker-Zeitung
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Phonographen oder von schwarzen Jazzbands gespielt, zu
hören bekommen. Die französischen Musiker, kaum aus dem
Konservatorium in die Orchester gesprungen, verlassen ihre
Pulte scharenweise, zurückgedrängt von den eindringenden
Negern Und Metöken, die die Musikbands der Hotels, Cafos,
Dancings, Kasinos, Theater und Kinos erobert haben,
nachdem sie als angebliche Studenten, Teppichhändler,^ Iu-
welenschleifer, Pelzhändler oder auch als Varieteekünstler
Einlaß in Frankreich gefunden haben: mit ihren saiten
bespannten Kasserollen, singenden Holzsägen, Kindertrom
peten, hawaischen Gitarren und quäkenden Blaßrohren.
Wohl versuchen selbst die Weißen sich im Jazz, aber die musi
kalische Clownerie steht unter der Würde der französischen
Instrumentalisiern In den französischen Badeorten sind im
letzten Sommer wohl kaum ein Drittel der Musiker Ein
heimische gewesen; unter 24 Mann in einem Bad nahe bei
Biarritz zählte man drei Franzosen. Neben dem Jazz hat
nun der amerikanische Tonfilm den zweiten schweren Streich
gegen die Musiker geführt. 500 sind durch die Einführung
der Kurbelmusik allein in Paris brotlos geworden. Die gute
Musik, zu der sich die Lichtspieltheater in den letzten Jahren
verpflichtet glaubten, ist verstummt und die Orgel feiert.
Dafür genießen wir die zweifelhafte Erzeugung amerikani
scher Filmkomponisten und die das Ohr beleidigenden Ge
räusche des Tonfilmgrammophons. Die jüngeren unter den
Konservatoristen sehen sich genötigt, in den ebenfalls über
füllten Berufen der Industrie und des Handels Unterkunft
zu suchen, für die sie gewöhnlich wenig Eignung mitbringen.
Nur einige wenige vermögen sich der neuen Geschmacksrich
tung anzupassen, wie etwa der erfolgreiche Pariser Kom
ponist Michel Maurice Levy, der Schöpfer der großen ko
mischen Oper „Das Kloster", der unter dem Decknamen
„Beethoven" allabendlich das Pariser Varieteepublikum mit
Parodien klassischer Opern und Liedern entzückt, um sein
Leben zu fristen. So weit Rene Dubreuil. Wenn er gerecht
sein will, muß er seine Anklagen nicht nur gegen Neger und
Metöken, sondern viel mehr noch gegen den Untergangs des
guten Geschmacks in musikalischen Dingen richten, der an
exotischen Fetischen mehr Geschmack findet als an den Hei
ligtümern europäischer Kultur, übrigens sei nicht verschwie
gen, daß sich eine leichte Reaktion fühlbar imacht, die mehr
und mehr auch in der Tanzliteratur den guten Wiener Wal
zer gegenüber dem Foxtrott zu Ehren kommen läßt.
Kuriose Einführungsworte
Die Komponisten der Kirchenmusik Mitte des 18. Jahr
hunderts bedienten sich mitunter ganz besonderer Schrift
sätze zur Einführung ihrer Werke, die Humor und Energie
gewiß nicht entbehrten. Wir lassen ein Beispiel folgen:
Der Organist Johann Anton Kobrich in Landsberg
schreibt zur Einführung seiner 1756 geschriebenen VI, Messe
„Rurales" (Op. 14) folgendes: „Geneigter Music-Liebhaber!
Gehe mit gegenwärtigem Werk wieder an das Tagelicht,
weilen einerseits öfters darum begrüßt worden, anderer
seits aber gesehen, daß die vorige Messen schleunigst abge
gangen, und von manchem Liebhaber hoch geschätzt worden.
Ich zwar suche, gleichwie in allen anderen, so auch in diesem
Werk, nichts als die Beförderung der grösseren Ehr Got
tes, welche durch Kirchgeziemende Produktion ferners zu ver
mehren und fortzupflantzen in Gegenwart gedacht habe.
Indessen solle niemand ein Bedauern tragen ob dem, daß
diese Messen Rurales genennet seyn, Massen solche nit min
der als die vorige auch denen Civilibus und anderen! fast
jedem anständig zu seyn verhoffe. In Abgang einiger Vocal-
Stimmen, oder Instrumenten, zeigt deroselben Nothwendig
keit angefügter Index".
Eine Krise im Direktorium der Wiener
Musikakademie
Der Rektor der Wiener Musikschule, HofraL Franz
Schmidt Hatz seinen Rücktritt aus dem Direktorium der Aka
demie angemeldet. Dieser Schritt ist auf Vorgänge im Direk
torium der Musikakademie zurückzuführen, die in jüngster
Zeit Gegenstand heftigster Kritik gewesen sind. So wurde
bemängelt, daß zum Leiter der Orchester- und Kammermusik
übungen des musikpädagogischen Seminars ein Nicht
musiker, nämlich ein Philologe, bestellt worden sei, daß ein
Vorbereitungskurs, der für die Kandidaten einer Stadtschul
ratsprüfung für rhythmische Gymnastik und Tanz eingerich
tet worden ist, von den Prüfungskommissären selbst abge
halten werde, und schließlich, daß Lehrkräfte der Akademie
auch an Privatschulen Unterricht erteilen. Wie sich heraus
stellte, sind die geschilderten Maßnahmen ohne Wissen des
Rektors an der Musikhochschule erfolgt. Hofrat Schmidt
hat daraus die Konsequenzen gezogen und seinen Rücktritt
aus dem Direktorium vollzogen.
Cello-Abend Becke-Kofler in Innsbruck
Vor ihrer kleinen Schwester,, der Geige, hat das Cello
den großen, sonoren Ton voraus, der einem edlen, wohlge-
sormten Klangkörper entströmt. Die Kehrseite lautet dafür
ungefähr so, daß mit zunehmendem Raumumfang eines In
strumentes seine Verwendungsfähigkeit in technischer Hin
sicht abnimmt. Die Gleichförmigkeit des Klangcharakters,
den das Cello in fast allen praktisch in Frage kommenden
Lagen ausweist, schließt das Instrument vom Reichtum jener
Wirkungen aus, die von der Geige in den klingenden tie
feren und in den brillanten hohen Lagen erzielt wird. Die
Celloliteratur, insbesondere die konzertante, ist an der Gei
genliteratur gemessen verschwindend geringfügig und klein.
Was wir auf diesem Gebiete besitzen, stellt daher auch kei
neswegs Allgemeingut dar, wie es für die Geige in reichstem
Maße zu verzeichnen ist. Es ist dafür speziell im Einzelnen
umso kostbarer, von Kennern und Liebhabern geschützter
Besitzstand einer im wesentlichen weniger auf virtuose als
auf musikalische Wirkung eingestellten Kunst.
Ludwig van Beethoven hat sich mit ihr im Rahmen
mehrerer Violoncellosonaten auseinandergesetzt. Die zwei
Opus 5-Sonaten hat er 1796 in Berlin geschrieben und kei
nem Geringeren als dem selbst Violoncell spielenden König
Friedrich Wilhelm II. gewidmet. Die erste von ihnen (F-
dur) hatte man kürzlich im Musikvereinssaale im Rah
men eines sehr interessanten Abendes, den Max Becke und
Erna Kofler bestritten, zu hören Gelegenheit gehabt. Sie ist
ein echter „junger" Beethoven, noch unbeschwert von allen
jenen tiefgründigen Problemen, die den großen Mann spä
ter beschäftigt haben. Solche Dinge klingen nur andeutungs
weise durch, insbesondere beim Wechsel der verschiedenen
Tonarten. Max Becke und Erna Kofler haben dieser Eigen
schaft des Werkes bei dessen Wiedergabe eine außerordent
lich glückliche Hand geliehen. — Aus Beethoven folgte Boc-
cherini und hier wurde ganze Musizierfreudigkeit, die an der
Wiege mozartischer Kunst stand, recht deutlich offenbar.
Jedenfalls ist Pe originärer als die des immerhin etwas
matt klingenden Konzertes von Saint-Saens, das aus dem
sonstigen Rahmen des Abends herausfiel... umso mehr,
als unmittelbar darauf Richard Strauß in der die schöne
Vortragssolge beschließenden Es-dur-Sonate ursprünglich
stes, musikalisch und musikantisch gleich wertvolles, Spieler
und Zuhörer gleich hin- und mitreißendes Musizieren vor
führte.