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Freuden seine Erholung gewesen. Und, was vorauszusehen war, der Kelch seiner
Leiden wurde voller. Heftige Schmerzen, quälende Erstickungsanfälle und fressender
Erter hatten im die Kraft geraubt und streckten ihn aufs Krankenlager nieder. Tage,
Wochen, Monate vergehen, aber keine Aussicht auf Besserung. Inzwischen
wird er durch Eingreifen barmherziger Nächstenliebe einem großen, fern gelegenen
Hospital übergeben. Sein schwaches elendes Leben ringt dort wieder mit dem Er¬
lösung bringenden Tode; aber seltsam das grausame Schicksal entreißt
ihn seinen Armen. „Unheilbar!" lautet die entsetzliche Losung, als er nach langen,
schmerzvollen Wochen ins Elternhaus zurückkehrt. Mutter und Krankenschwester
nehmen ihn nun wieder in ihre Obhut. Wieder vergehen viele lange Wochen. Endlich
hat Gott mit ihm Erbarmen. Der Kranke kann eines Tages das harte, drückende
Lager verlassen. O wie strahlt da sein Angesicht vor Wonne und wie dankbar
blickt er zum Himmel auf!
„Paul ist nicht zu Hause. Er ist in den Wald gegangen. Die Lust im Walde
thut ihm wohl. Er wird
bald wiederkommen." So
spricht eine freundliche,
schlicht, aber sauber ge¬
kleidete Frau zu mir, als
ich eines Tages den
kleinen Dulder aussuche.
Ant Garten, wo ich sie
treffe, vernehme ich nun
auf mein Befragen nach
seinem Befinden eine gar
lehrreiche Geschichte aus
ihrem Munde. „Ach,
wie freue ich mich, Herr
Lehrer, daß Sie ihn be¬
suchen. Ich muß Ihnen
Vieles erzählen. Einen
solchen Jungen werden
Sie nicht bald wieder
finden. Denken Sie sich,
„Paul, ärgerst Du Dich denn nicht, daß es andere Kinder besser haben, als Du?
Da meinte er: „Das hilft mir gar nicht, wenn ich mich darüber ärgern
thu'. Das ist nun einmal so; manche Menschen haben es gut und manche haben
es schlecht. Kaiser Friedrich ist es auch schlecht gegangen. Er sagte aber: Lerne leiden,
ohne zu klagen. So mach' ich's auch. Und dabei war er ganz vergnügt. Seh'n
Sie, Herr Lehrer, da wird mirs leicht, wenn ich ihn jeden Tag so krank sehe und
es will gar nicht besser werden. Nicht wahr, er ist doch ganz anders, als viele
andere Kinder." So schloß die erregte Frau ihren ergreifenden Bericht und wie
heller Sonnenschein legte sich die Freude über einen so ausgezeichneten Sohn aus
ihr Angesicht „Sie haben ganz recht, Frau Müller", gab ich zur Antwort. „Ihr
Sohn ist ein prächtiger Junge, auf den sie stolz fein können. Ich hatte nicht ge¬
dacht, daß er so ergeben sein und einen festen Willen zeigen könnte. Ich freue mich
sehr über ihn." „Ach, es thut mir auch recht noth, daß er mir Freude macht, sonst
könnte ich's nicht mehr länger aushalten," erwiderte sie betrübt; „der Junge ist
nämlich dem Vater im Wege. Er redet wenig mit Paul und schimpft manchmal
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er ist so krank gewesen
und hat so viele Schmer¬
zen gehabt, aber dabei
ist er w still und gut.
Früh betet er und Abends
auch. „Mutter", sagte
er einmal zu mir, „wir
haben in der Schule je¬
den Tag gebetet; ich bete
darum auch alle Tage,
und da denk ich, daß mir
der liebe Gott schon
helfen wird."
Hat er große Schmer¬
zen, da drückt er die
Lippen fest zusammen.
Hat er keine Schmerzen,
da lacht er und pfeift
sich manchmal eins. Ein¬
mal sagte ich zu ihm: