Volltext: Neuer Braunauer Kalender 1901 (1901)

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große Löcher eingebrannt worden waren. Scheich schimpfte so laut, daß sein Feld¬ 
webel, durch den Lärm herbeigelockt, ins Zimmer trat. Nun sieng das Fluchen von 
vorne an, nur mit dem Unterschiede, daß die Kraftworte des Feldwebels an die 
Adresse des Corporals gerichtet waren. Das Ende vom Liede war, daß Corporal 
Stephan Scheich wegen mangelhafter Beaufsichtigung seiner Leute vom Feldwebel 
zum Rapport befohlen wurde. 
Wie eine geknickte Lilie stand am 8. März 1849 der Corporal vor seinem 
gestrengen Hauptmann. Der Feldwebel meldete, was sich zugetragen hatte und zeigte 
dem Hauptmann die zwei verdorbenen Waffenröcke. Hauptmann Unukic erblaßte 
beim Anblick der durchlöcherten Röcke und bekam einen Ohnmachtsanfall. 
„Unglücksmensch!" rief der Hauptmann. „Was haben Sie gethan? Sie gehören 
ins Stockhaus! Was soll ich mit Ihnen anfangen? Zwei — sage zwei Waffenröcke 
läßt er mir beim Ofen wie Bratwürste rösten! Zehntausend Teufel übereinand! Da 
muß ein Exempel statuiert werden!" 
Während der Hauptmann nachdachte, welche Strafe er dem Corporal dictieren 
sollte, besah er sich die zwei vollkommen unbrauchbar gewordenen Kleidungsstücke. 
„Das sind ja Officiersröcke!" schreit der Hauptmann plötzlich auf. „Wem gehören 
diese Röcke?" 
„Melde gehor¬ 
samst: Ihnen, 
Herr Haupt¬ 
mann! "antwortet 
recht kleinlaut der 
Corporal. „Ihr 
Diener hat's 
g'waschen,und ob¬ 
wohl ich verboten 
hab', daß im 
Zimmer ein 
Wäschestück beim 
Ofen getrocknet 
werden soll, hat 
er's doch gethan!" 
Waffenröcke wären, so hätte ich Sie ins Stockhaus geschickt. So aber hol' Sie 
der Teufel! Rechts um — marsch!" 
Froh so glimpflich davongekommen zu sein, eilte Scheich in die Cantine, um 
dort auf das Wohl seines strengen und doch so seelenguten Compagnie-Commandanten 
ein Glas Wein zu trinken. 
In der Cantine herrschte reges Leben: Soldaten der verschiedensten Truppeu- 
körper saßen hier friedlich beisammen und erzählten sich gegenseitig ihre Kriegs¬ 
erlebnisse. Ein ganz besonderes Interesse erweckte ein Uhlane, Namens Jllasiewitz 
vom Fürst Schwarzenberg-Regiment Nr. 2, denn auf seiner Brust prangte die 
höchste militärische Auszeichnung, die goldene Tapferkeits-Medaille. Corporal Scheich 
bestürmte den Uhlanen ihm mitzutheilen, auf welche Art er sich diese Auszeichnung 
erworben habe. Uhlane Jllasiewitz ließ sich nicht lange bitten und erzählte: 
„Im November machten wir aus der Festung einen Ausfall, um den Feind 
zur Entwicklung zu zwingen und uns dadurch seine Stärke zu verrathen. Unser 
Zweck war bald erreicht und wir zum Rückzüge befohlen. Der Feind setzte uns 
^ hart zu, namentlich seine vier Raketengeschütze verursachten uns großen Schaden. 
> A 
Das finstere Ge¬ 
sicht des Haupt¬ 
mannes heiterte 
sich auf und er 
sagte: „Gott sei 
Dank, daß es 
keine ärarischen 
Monturstücke 
sind. — Also 
meineWaffenröcke 
sind es? Das ist 
Ihr Glück! Sie, 
ich sage Ihnen, 
wenn das nicht 
zufällia meine
	        
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