Volltext: Neuer Braunauer Kalender 1901 (1901)

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m- „Bei ein' Schneider? Aber Bruder, i hab' mein Lebtag ka Nadel nit in 
der Hand g'habt. I glaub', i könnt' net antat einfabeln." 
' »Geh' zu. An' Knopf wirst schon annah'n kiuua, mehr brauch'st net. Und 
' 's schönste Leben hälfst als Cumpanie-Schneiber, dös is g'wiß. Brauch'st net aus- 
£n rüden mit der Flinten unb brauch'st net marschieren. Sitzt hübsch 'zHaus hinter'n 
marmen Ofen, mach'ft a so, als ob’ft was arbeiten thät'st, unb wann die Cnmpanie 
fort is, han'st bie ans bein Strohsack hin unb raufst bei Pfeiferl." 
Dem Greinerischen lief bas Wasser im Munbe zusammen. „Dös war sreili so 
a G'schästert für mi. Unb bu manst, baß i's riskieren tunnt?" 
er' „Versteht ft’. Nach a paar Wochen bist a sernter Schneiber unb nahst beine 
Hosenfleck auf, wia's es in ber Aristokraten-Abtheilnng beim Rothberaer a net 
nobler treffen." 
ier' , Der Schorsch kratzte sich hinterm Ohr, knetete seine Virginier zwischen ben 
Fingern, bann staub sein Entschluß fest. Ja, er wollte in bie Laufbahn eines 
Cornpagnie-Schneibers einlenken, mochte ba kommen, was ba wollte. 
Unb richtig, als bie Zeit herankam, wo bie Rekruten ihr Ränzlein schnüren 
aal ’n ®aferne einziehen, da hatte sich der Schorsch derart in seine Meisterschaft 
im Schneiberhanbwerk hineingelebt, baß, ihm ein ehrenvoller Ruf in eines ber ersten 
er= Schneiber-Ateliers zntheil geworben wäre. Vor ber Einkleibnng ber Rekruten gieng 
fte Felbwebel mit ber Diensttasche bie Front ab unb notierte bas Nationale unb 
die Prosossion jebes Einzelnen. Er war wenig erfreut über bie Antworten, bie er 
ba erhielt. 
reti „Mechaniker finb S' ?" Möcht' wissen,, zu was's solche Leut' geben muß. 
Unb Sie? Lithograph? Braucht man höchstens einen beim Regiments-Commanbo. 
Nichts für uns. Unb Sie? Kellner? Na — wünsch' wohl g'speist zu haben, ba 
kriegen wir ja eine Musterkollektion von Leuten z'samm', bie zu nix z'brauchen 
find. Was? Kunstgärtner? Schöner Holler. Fiaker. Fahren S' ab. Futteralmacher. 
Packen S' ein. Kabakkramer? Haben S' kein Türken g'sehen? Spengler, Glaser, 
Taschner — Himmel Donnerwetter, is benn net ein einziger rechtschaffener Prosessionist 
babei? Was sind benn Sie, ©reiner?" 
„Schneider!" 
, „Na — enblich! Das is a Reb’. Treten S' aus, Greiner, 's gsreut mich, 
baß ich mich in Ihnen net 'tauscht hab’. Sie haben mir gleich so verwenbbar ans- 
g'schaut!" 
' Als bie Musterung zu Enbe war, stanb neben Greiner noch ein rothbackiger, 
' breitschulteriger Jüngling, ber sich als Schuster beclariert hatte vor ber Front. Sonst 
lauter unverwendbares Material Der Herr Felbwebel rang bie Hänbe. „Zwei 
. ' Prosessionisten — na, der Herr Hauptmann wird eine Eselsfreud' haben. Das reicht 
en ja net antat für ben bringenbsten Bebarf hin. Wünsch' gute Nacht." 
In ber That war bie freubige Ueberraschung bes Herrn Hauptmauues eine 
r sehr lebhafte. Er fluchte weidlich und knurrte einige wenig schmeichelhafte Bemerkungen 
' über das löbliche Regiments-Commando in ben Bart. „Einen Schneiber unb einen 
Schuster, bation soll bie Compagnie fett werden!" Es war in ber That eine starke 
Zumuthung. Dann ließ sich ber Hauptmann ben Schneiber Georg vorführen. 
»Sie finb jetzt mein einziger Schneiber. Ich kann Sie nicht einmal bie Ab- 
richtung ganz mitmachen lassen. Sie müssen sofort an bie Arbeit gehen. Sie sind 
boch hoffentlich perfect? Wo haben Sie gearbeitet?" 
„I, Herr Hauptmann? Metb' g'hursamst, Herr Hauptmann, i hab ba unb burt 
g'arbeif beim Rothberger auch."
	        
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