Volltext: Neuer Braunauer Kalender 1891 (1891)

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Drrs H^usrnittst. 
Mitternacht vorüber. Ein Nachtlämpchen verbreitet einen 
matten Schein im Zimmer, der die Gegenstände notdürftig 
erkennen läßt. Das Ehepaar Abelei fchläft den Schlaf der 
Gerechten. Nicht weit vom Bette der Frau steht ein vergittertes 
Kinderbett, wo der vierjährige Franzi ruht. 
Herr Abelei rührt sich. Eiu körperliches Unbehagen drückt 
sich in seinen Zügen aus; doch der Schlaf hält in noch zu 
sehr umfangen, als daß er zum klaren Bewußtsein des 
quälenden Uebels kommen könnte; er wirft sich daher unruhig 
im Bette umher und versucht, weiter zu schlafen. Allein die 
Quälgeister feines Innern regen sich immer deutlicher. Er 
stöhnt im Schlafe schmerzlich auf und zieht die Beine bis auf 
die Brust heran. Plötzlich streckt er sie wieder von sich, kneift 
die Lippen zusammen und läßt ein Wimmern hören, das wie 
der Todtengesang eines Nadowefsiers klingt. Nützt Alles nichts. 
Er reibt sich den Leib, legt einen Polster auf die schmerzhafte 
Stelle unb sucht durch Ruhe und Besonnenheit die Folter¬ 
knechte zu besänftigen, welche mit glühenben Zangen unb 
Schrauben, mit Streckapparaten und Gährungserregern in 
seinem Innern geschäftig stnb. Vergeblich müht er sich ab; 
in kurzen Zwischenräumen kehren bie Schmerze» in verstärktem 
Maße wieber. Es wirb ihm heiß; ber Angstschweiß tritt ihm 
auf bie Stirne. Im Zimmer regt sich nichts. Nur bie Uhr 
macht ihr herzloses Tiktak, die Frau hört auch nicht, sie 
fchläft ruhig und hat keine Ahnung von feinen Schmerzen. Sie 
bläst den Athem so regelmäßig von sich, als ob sie eine 
duftende Havanna rauchte. 
„Jeffas, Jessas, Jessas, Jessas," ruft er mit schmerzge- 
preßler Stimme und setzt sich im Bette auf. „Das is ja 
nimmer zum Aushalten. Du, Alte, geh', steh' auf, mir is net 
guat." 
Die Gesponsin rührt sich nicht. „Du, Lisi, hörst, i halt's 
net aus vor lauter Schmerzen." 
Die Lisi dreht sich aus bie anbere Seite, schnalzt mit ber 
Zunge, zieht die Decke bis zur Nase hinauf und beginnt als¬ 
bald wieder ihr eintöniges Gebläse. 
„Na, das Weib hat an' Schlaf," jammert ber Mann, 
»sterb'n und veroerb'n könnt' man an ihrer Seit'n, sie merket
	        
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