Volltext: Neuer Braunauer Kalender 1891 (1891)

denen er auf Besuch gewesen, antworteten sie ihm unveränderlich, 
„daß man kein Parapluie gesehen habe." Oft, sehr oft, hatte 
es sich für den guten Doktor gefügt, in der Hand einer nicht 
gerade fein aussehenden Person ein Parapluie zu sehen, welches, 
wie nicht zu bezweifeln war, ehemals ihm gehört hatte und 
das er weder hergeschenkt, uoch verkauft hatte. Darauf tobte 
es in ihm und er sagte, zweifelsohne mit einer Uebertreibung, 
daß er den ganzen Bezirk mit Parapluies versorge. Aber was: 
Wenn er die betreffende Person angehalten hätte, um von ihr 
ein rechtmäßiges Eigenthum zurückzuverlangen, würde ihm das 
Individuum wohl sicher geantwortet haben: „Warum nicht 
gar, mein Herr, dieser Gegenstand da gehört nicht Ihnen, er 
gehört mir, ich habe ihn da ober dort gekauft, auf dem Jahr¬ 
markt in Rübenheim oder Krauthausen". Es blieb ihm nichts 
anderes übrig, als sich ein neues Paraplie zu kaufen. 
Run aber passirte dies unserem guten Mediziner beinahe 
jede Woche, oder richtiger gesagt, so oft schlechtes Wetter war. 
Rechnet! 
„Das ist ment Ruin, das ist mein Ruin!" jammerte er 
für sich hin. 
Und in der That, es war Wahrheit. 
Endlich, noch oftmaligem Nachdenken, Ueberlegen, Erwägen, 
Klopfen an feiner Stirne, verfiel unser Freund auf ein ganz 
und gar sinnreiches Mittel, wie Ihr sehen werdet. 
In den Griff des ersten Parapluies von feiner Seide 
und hübschem Preis, das er sich neuerdings kaufte, ließ er, 
um feiner Sache sicher zu fein, tief und auf eine unverlösch- 
bare Weise die Worte eingrqviren: „Ich bin dem Doktor 
Sylvester gestohlen worden!" 
„Auf die Art", sagte er sich, indem er sich die Hände 
rieb, „wird mein Parapluie feine unrechtmäßigen Besitzer selbst 
anklagen . . . Niemand wird es zn behalten wagen!" Und um 
seine Erfindung zu erproben, ging er noch an demselben Tage 
— es fiel gerade Regen — zu einer ihm ans gewissen Gründen 
verdächtigen Frau auf Besuch, die in einer kleinen Entfernung 
von feinem Hanfe wohnte und ihm wohl fähig erschien, ge¬ 
legentlich fremdes Eigenthum einzuheimsen, und vergaß dort 
fein Parapluir — absichtlich. «Schon nach einer halben Stunde 
wurde der kompromittireude Gegenstand zurückgebracht. Die 
anklägerifche Inschrift hatte ihre Wirkung gethan.
	        
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