Volltext: 9. Heft 1914 (9. Heft 1914)

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beobachtenden Batteriechef, der das hochgestellte Scheren¬ 
fernrohr vor den Augen hat — nicht früher entdecken, 
als bis unsereGeschosfe ihm gehörig eins ausgewischt haben 
und es für ihn zu spät ist, uns noch viel zuleide zu tun. 
Denn haben wir ihn erst mal in der „Gabel", d. H. zwischen 
einem Kurz-und einemWeitschnß, dann gnade ihm Gott! 
Stehen uns mehrere Stunden zur Verfügung, 
bietet die Örtlichkeit einige Hilfsmittel und werden wir 
voraussichtlich längere Zeit in unserer Feuerstellung 
bleiben, dann richten wir uns eine wohnliche Höhle an 
einem Orte mit guter Aussicht ein. Mit Torflügeln, 
Balken oder Stämmen und einer tüchtigen Erdschicht 
darüber wird sie eingedeckt, so daß sie gegen Schrapnell- 
kugeln und leichte Granaten sicher ist; nur die Objektive 
des Scherenfernrohres ragen, ähnlich dem Periskop 
eines Unterseebootes, oben heraus. Das Dach wird 
mit Grasbüscheln, Heidekraut, Zweigen u. dgl., auch 
wohlmitSchnee, 
kunstgerecht be¬ 
legt, so daß es 
feindlichen Flie¬ 
gern schwer fal¬ 
len mag, uns zu 
entdecken. Das 
Innere unseres 
„Dachsbaues" 
polstern wir mit 
Stroh so mollig 
aus, daß wir 
weich und warm 
sitzen und es 
tagelang darin 
aushalten können, 
um so besser, 
wenn es uns 
nicht an Speise 
und „geistreichen" 
Getränken man¬ 
gelt. Vielleicht 
lassen sich aus 
dem nächsten zu- 
sammmgeschosse- 
nenDors Stühle, 
Matratzen oder 
gar ein Sofa her¬ 
beischaffen; auch eine Uhr ist nicht unwillkommen. Schlie߬ 
lich ist es im Beobachtungsstand so gemütlich wie im 
Kasino, und in den Feuerpausen wird mancher fidele 
Batterieskat gekloppt. 
Das unerfreuliche Gegenstück zu dieser „schlemmer¬ 
hasten" Einrichtung eines Beobachtungsstandes bildet 
der wenig beliebte längere Aufenthalt auf der Beobach¬ 
tungsleiter oder im „Storchnest", d. H. dem auf Bäumen 
am Waldrande nach Art der waidmännischen Schu߬ 
kanzeln zurechtgezimmerten Hochstande. Abgesehen da¬ 
von, daß Leiter und Baumhochstand bei stärkerem Winde 
beträchtlich schwanken und das eben erst mit vieler Mühe 
eingestellte Fernrohr in heimtückischer Weise aus der 
Richtung bringen; man bekommt dort oben in jetziger 
Jahreszeit solche niederträchtige „Eisbeine", daß einem 
nur das gute altpreußische Gefühl der verfluchten Pflicht 
und Schuldigkeit — Kant nennt es den kategorischen 
Imperativ — und die Hoffnung auf ein ordentliches Glas 
des in der Heimat jenes Philosophen landesüblichen 
Getränkes nach der Ablösung die gute Laune erhalten 
kann. Freilich, von selbst stellt sie sich ein, wenn man 
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Phot. Pttoto-Unwn, Berlin. 
Deutscher und französischer Arzt inspizieren in einem deutschen Lazarett verwundete Gefangene. 
Treffer auf Treffer beobachtet und die Feuerwirkung 
des Gegners erlahmen sieht. H. K. 
* * 
Vom Lazarettwesen. 
Es versteht sich ganz von selbst, daß die deutsche 
Heeresleitung auf die strengste Befolgung der Verein¬ 
barungen des Genfer Abkommens ihrerseits hält, und es 
braucht wirklich nicht erst betont zu werden, daß jene an¬ 
geblichen llbertretungsfälle, von denen englische und 
französische Zeitschriften namentlich in den ersten Tagen 
dieses Feldzugs zu fabeln sich nicht schämten, nichts 
anderes als böswillige Verleumdung und Gehässigkeit 
ohne Sinn und Verstand sind. Wohl aber dürfen wir 
mit Recht darüber Klage führen, daß Franzosen und 
Engländer uns gegenüber, wie amtlich mehrfach bezeugt 
ist, sich nicht an die doch auch von ihnen unterzeichneten 
Artikel des er¬ 
wähnten inter¬ 
nationalen Ab¬ 
kommens gehal¬ 
ten haben, und 
ein Vorkommnis 
wie die kriegsge¬ 
richtliche Verur¬ 
teilung deutscher 
Militärärzte und 
deutschen Sani¬ 
tätspersonals 
wegen angebli¬ 
chen Diebstahls 
bzw.Plünderung 
und Gewalttat 
vor dem Pariser 
Militärgouver¬ 
nement am 25.No- 
vember ist auch 
nicht durch das 
gallische Tempe¬ 
rament und die 
Leidenschaft des 
Augenblicks zu 
entschuldigen. 
Wohl milderte 
den üblen Ein¬ 
druck dieses von demBestreben,dem verhaßtenFeinde einen 
moralischen Makel anzuhängen, diktierten Urteils der 
fast einmütige Einspruch der französischen Militärärzte 
und vieler besonnener Juristen, der ja im Verein mit den 
von der deutschen Regierung angedrohten Vergeltungs¬ 
maßregeln schließlich auch zur Aufhebung der Ver¬ 
urteilung führte. Daß aber solch ein Urteil überhaupt 
möglich war, wird dadurch nicht aus der Welt geschasst. 
Unser Bild zeigt, wie ein mit seinen Verwundeten 
in deutsche Gefangenschaft geratener, nach der Genfer 
Abmachung aber zum eigenen Heere zurückzusendender 
französischer Arzt gemeinsam mit dem deutschen 
Kollegen die letzte Krankenvisite am Bette eines ver¬ 
wundeten Landsmannes macht. Der französische Arzt 
gibt dem nunmehr die weitere Behandlung übernehmen¬ 
den deutschen Stabsarzt Auskunft über die besondere 
Art der Verwundung und die bisherigen Maßnahmen 
zur Heilung des Patienten. Gewöhnlich erfolgt die 
Zurücksendung durch die Vermittlung eines neutralen 
Staates; sie ist nicht an einen Austausch geknüpft. 
Dr. med. A. Hn.
	        
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