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beobachtenden Batteriechef, der das hochgestellte Scheren¬
fernrohr vor den Augen hat — nicht früher entdecken,
als bis unsereGeschosfe ihm gehörig eins ausgewischt haben
und es für ihn zu spät ist, uns noch viel zuleide zu tun.
Denn haben wir ihn erst mal in der „Gabel", d. H. zwischen
einem Kurz-und einemWeitschnß, dann gnade ihm Gott!
Stehen uns mehrere Stunden zur Verfügung,
bietet die Örtlichkeit einige Hilfsmittel und werden wir
voraussichtlich längere Zeit in unserer Feuerstellung
bleiben, dann richten wir uns eine wohnliche Höhle an
einem Orte mit guter Aussicht ein. Mit Torflügeln,
Balken oder Stämmen und einer tüchtigen Erdschicht
darüber wird sie eingedeckt, so daß sie gegen Schrapnell-
kugeln und leichte Granaten sicher ist; nur die Objektive
des Scherenfernrohres ragen, ähnlich dem Periskop
eines Unterseebootes, oben heraus. Das Dach wird
mit Grasbüscheln, Heidekraut, Zweigen u. dgl., auch
wohlmitSchnee,
kunstgerecht be¬
legt, so daß es
feindlichen Flie¬
gern schwer fal¬
len mag, uns zu
entdecken. Das
Innere unseres
„Dachsbaues"
polstern wir mit
Stroh so mollig
aus, daß wir
weich und warm
sitzen und es
tagelang darin
aushalten können,
um so besser,
wenn es uns
nicht an Speise
und „geistreichen"
Getränken man¬
gelt. Vielleicht
lassen sich aus
dem nächsten zu-
sammmgeschosse-
nenDors Stühle,
Matratzen oder
gar ein Sofa her¬
beischaffen; auch eine Uhr ist nicht unwillkommen. Schlie߬
lich ist es im Beobachtungsstand so gemütlich wie im
Kasino, und in den Feuerpausen wird mancher fidele
Batterieskat gekloppt.
Das unerfreuliche Gegenstück zu dieser „schlemmer¬
hasten" Einrichtung eines Beobachtungsstandes bildet
der wenig beliebte längere Aufenthalt auf der Beobach¬
tungsleiter oder im „Storchnest", d. H. dem auf Bäumen
am Waldrande nach Art der waidmännischen Schu߬
kanzeln zurechtgezimmerten Hochstande. Abgesehen da¬
von, daß Leiter und Baumhochstand bei stärkerem Winde
beträchtlich schwanken und das eben erst mit vieler Mühe
eingestellte Fernrohr in heimtückischer Weise aus der
Richtung bringen; man bekommt dort oben in jetziger
Jahreszeit solche niederträchtige „Eisbeine", daß einem
nur das gute altpreußische Gefühl der verfluchten Pflicht
und Schuldigkeit — Kant nennt es den kategorischen
Imperativ — und die Hoffnung auf ein ordentliches Glas
des in der Heimat jenes Philosophen landesüblichen
Getränkes nach der Ablösung die gute Laune erhalten
kann. Freilich, von selbst stellt sie sich ein, wenn man
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Phot. Pttoto-Unwn, Berlin.
Deutscher und französischer Arzt inspizieren in einem deutschen Lazarett verwundete Gefangene.
Treffer auf Treffer beobachtet und die Feuerwirkung
des Gegners erlahmen sieht. H. K.
* *
Vom Lazarettwesen.
Es versteht sich ganz von selbst, daß die deutsche
Heeresleitung auf die strengste Befolgung der Verein¬
barungen des Genfer Abkommens ihrerseits hält, und es
braucht wirklich nicht erst betont zu werden, daß jene an¬
geblichen llbertretungsfälle, von denen englische und
französische Zeitschriften namentlich in den ersten Tagen
dieses Feldzugs zu fabeln sich nicht schämten, nichts
anderes als böswillige Verleumdung und Gehässigkeit
ohne Sinn und Verstand sind. Wohl aber dürfen wir
mit Recht darüber Klage führen, daß Franzosen und
Engländer uns gegenüber, wie amtlich mehrfach bezeugt
ist, sich nicht an die doch auch von ihnen unterzeichneten
Artikel des er¬
wähnten inter¬
nationalen Ab¬
kommens gehal¬
ten haben, und
ein Vorkommnis
wie die kriegsge¬
richtliche Verur¬
teilung deutscher
Militärärzte und
deutschen Sani¬
tätspersonals
wegen angebli¬
chen Diebstahls
bzw.Plünderung
und Gewalttat
vor dem Pariser
Militärgouver¬
nement am 25.No-
vember ist auch
nicht durch das
gallische Tempe¬
rament und die
Leidenschaft des
Augenblicks zu
entschuldigen.
Wohl milderte
den üblen Ein¬
druck dieses von demBestreben,dem verhaßtenFeinde einen
moralischen Makel anzuhängen, diktierten Urteils der
fast einmütige Einspruch der französischen Militärärzte
und vieler besonnener Juristen, der ja im Verein mit den
von der deutschen Regierung angedrohten Vergeltungs¬
maßregeln schließlich auch zur Aufhebung der Ver¬
urteilung führte. Daß aber solch ein Urteil überhaupt
möglich war, wird dadurch nicht aus der Welt geschasst.
Unser Bild zeigt, wie ein mit seinen Verwundeten
in deutsche Gefangenschaft geratener, nach der Genfer
Abmachung aber zum eigenen Heere zurückzusendender
französischer Arzt gemeinsam mit dem deutschen
Kollegen die letzte Krankenvisite am Bette eines ver¬
wundeten Landsmannes macht. Der französische Arzt
gibt dem nunmehr die weitere Behandlung übernehmen¬
den deutschen Stabsarzt Auskunft über die besondere
Art der Verwundung und die bisherigen Maßnahmen
zur Heilung des Patienten. Gewöhnlich erfolgt die
Zurücksendung durch die Vermittlung eines neutralen
Staates; sie ist nicht an einen Austausch geknüpft.
Dr. med. A. Hn.