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Am Ende des Jahres 1915 waren die Russen durch
die herangeführten Verstärkungen in der Lage, eine
Offensive ' über die Grenze des Kaukasusgebietes zu
versuchen, — zu einer Zeit, in der die Türken durch die
auf weit voneinander entfernten Kriegsschauplätzen an
sie herantretenden Anforderungen genötigt waren, mit
ihren Kräften hauszuhalten und nicht Anstrengungen
auf Ziele zu verwenden, die erst in zweiter Linie in
Frage kommen konnten. Die Russen sahen sich, wie es
später in einem türkischen Bericht hieß, „in die Not-
wendigkeit versetzt, ihrem Lande und den Alliierten,
die nach dem einzigen Worte ,Sieg' — unter welcher
Form immer — dürsten, glänzende Bulletins mitzuteilen."
So wurde am 27. Dezember der Vormarsch gegen
Erzerum angetreten, das plötzlich für einen mit starken
modernen Befestigungen versehenen Platz erklärt wurde.
Es war auch wohl-nötig, die Schwierigkeiten des
in Angriff genommenen Vorgehens recht stark zu unter-
Erzerum schützten und trotz ihrer mangelhaften Geschütz-
ausstattung die an Zahl überlegenen Angreifer einen
vollen Monat aufhielten. Daß dies überhaupt möglich
war, ist, abgesehen von der Pflichttreue und dem Helden-
mut der Truppen, denen diese Stellungen anvertraut
waren, weniger der Stärke der Befestigungen als der
günstigen Gestaltung des Geländes in der Umgebung
von Erzerum zu verdanken.
Nachdem aber einmal der Angriff der Russen so
ernstlich angesetzt worden war, daß ein dauernder Erfolg
der türkischen Verteidigung unwahrscheinlich wurde, eut-
schlössen sich die Türken, Erzerum zu räumen. Es wurdeu
sorgfältige Vorbereitungen getroffen, um das brauchbare
Kriegsmaterial aus der Stadt zu schaffen, alles minder-
wertige und den Transport nicht lohnende — darunter
auch die veralteten Geschütze und die nicht transport-
fähigen Kanonen aus den Anßenverschonzungen un-
brauchbar zu machen. Nachdem am 14. Februar die
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Anficht von Erzerum.
Phot. Leipziger Presse-Büro.
streichen. Denn die russischen Streitkräfte brauchten
trotz der Überlegenheit und ihrer besseren Verbindungen
acht Tage unter schweren Gefechten, um nur zunächst
den Rückzug der Türken aus dem Gebiet des oberen
Aras zu erreichen. Mit unvergleichlichem Heldenmut
kämpften die türkischen Truppen in tiefem Schnee und
bei grimmiger Kälte Mann gegen Mann gegen eine
Überzahl. In vier Stellungen hintereinander hielten
sie stand und fügten den Russen schwere Verluste zu.
Drängten die Feinde zu sehr, so wichen sie in regelrechtem
Rückzüge in die nächste Stellung zurück, um die Russen
aufs neue anlaufen zu lassen. Gegen Mitte Januar
kam der Vormarsch der Russen zum Stillstand, und erst
Ende; des Monats unternahmen sie es, die türkische
Stellung bei Erzerum wirklich anzugreifen. Dazwischen
lagen allerdings die neuen Mißerfolge in Ostgalizien,
die den Wunsch, irgendwo wenigstens etwas wie einen
Erfolg aufzuweisen, erheblich gesteigert hatten. Es ist
sehr charakteristisch, wie die russischen Berichte von jetzt
an bestrebt sind, das ganze Unternehmen gegen Erzerum
in einem besonders großartigen Lichte erscheinen zu
lassen. Und doch kam Mitte Februar heran, ehe die Ein-
nähme eines „Forts" gemeldet werden konnte. Dieses
Fort war eine der Feldbefestigungen, die die Stadt
türkische Hauptmacht den Rückzug auf Ersiugjan angetreten
und die zurückgelassenen Nachhuten noch am 15. rühm-
liche Gefechte gegen die Russen bestanden hatten, wurden
am Abend dieses Tages die Stellungen vollends geräumt,
worauf am 16. die Russen ihren Einzug hielten und ihre
Siegesnachrichten in die Welt hinausflattern ließen.
Erzerum gefallen! Es ließ sich nicht leugnen, daß
die in weiten Kreisen herrschende Unbekanntschaft mit
diesem entlegenen Kriegsschauplatz dafür sorgte, daß
mit dieser Nachricht überall ein gewisser Eindruck erzielt
wurde. Die russischen Meldungen bauschten die Berichte
über die Kämpfe mit der türkischen Nachhut entsprechend
auf, so daß es aussah, als ob die nacheinander ruhig und
systematisch geräumten Befestigungen von den Russen
in zähem Kampfe erstürmt worden seien. Besonders
ausgebeutet wurde in den russischen Berichten das
Zurücklassen der alten Geschütze durch die Türken. Dieser
Umstand mußte den Anschein unterstützen helfen, als ob
Erzerum erst nach gewaltigem Widerstand gefallen sei,
wofür die große Zahl der erbeuteten Geschütze Zeugnis
ablegen mußte. In die russischen Siegesfanfaren
stimmten mit harmonischem Klang die Erläuterungen der
englischen Presse ein. Hiernach war Erzerum der Schlüssel
Kleinasiens; der Eindruck in der mohammedanischen