Volltext: 82. Heft 1914/16 (82. Heft 1914/16)

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von Dünaburg, bei Garbunowka, wo die Russen mit 
besonderer Vorliebe Durchbruchsversuche machten, und 
sodann in dem Abschnitt, der nun schon so viel russi- 
sches Blut getrunken hatte und der bereits zu einem 
russischen Gräberfeld geworden war, in dem Gelände 
südlich des Narocz-Sees. Auch hier wurden alle russi- 
schen Vorstöße blutig abgewiesen. Am 14. April wieder- 
holte sich dasselbe Bild: dasselbe Scheitern des russischen 
Ansturms an denselben Stellen mit Ausnahme des Ab- 
schnitts am Narocz-See. Bei Garbnnowka wurde der 
Kampf mit derselben Heftigkeit fortgesetzt; am Serwetsch 
setzten die Russen schwächere Kräfte ein, die diesmal 
etwas weiter nördlich auf der Landstraße Minsk—Nowo- 
grodek gegen den Ort Korelitschi vorgingen, aber ihr 
Ziel ebensowenig erreichten wie am Tage vorher. 
Nun gab es ein paar Tage Ruhe an der Front. Aber 
bei Dünaburg währte sie nicht lange. Am 18. früh er- 
eignete sich südlich von Garbnnowka ein neuer Vorstoß 
der Russen. Er brachte ihnen wieder besonders große 
Verluste, nichts weiter. Von jetzt an wird das Verhalten 
der russischen Heeresleitung schlechthin unverständlich. 
Von Zeit zu Zeit folgte ein Angriff mit unzureichenden 
Kräften — unzureichend insofern, als sich damit irgend- 
welche Absichten von größerer Bedeutung nicht verwirk- 
lichen ließen. Man könnte diese Unternehmungen in An- 
betracht der großen Verluste, die für die Russen damit 
verbunden waren, mit Aderlässen vergleichen, aber dieser 
Vergleich würde in der Hinsicht schief sein, daß der Arzt 
zu der Zeit, als die Aderlässe üblich waren, einen heil- 
samen Zweck damit verband und bis zu einem gewissen 
Grade auch erreichte. Die Aderlässe des russischen Heeres 
aber waren Schwächungen, denen nicht der geringste 
positive Gewinn gegenüberstand. Nachdem am 20. und 
21. April bei Garbnnowka gekämpft worden war, kam 
am 22. wieder der Abschnitt am Narocz-See an die Reihe. 
Am 24. nochmals Garbnnowka. Schon die Art der An- 
ordnung dieser Angriffe zeigte deutlich das Erlahmen 
der Kräfte. Es sah so aus, als wolle man jetzt nur noch 
den Schein retten und dem Vorwurf aus dem Wege 
gehen, daß man dem Verbluten der verbündeten Fran- 
zosen bei Verdun tatenlos zugesehen habe. Von einem 
Gefühl der Verantwortung in dem Sinne, daß man 
Menschenleben nur opfert, wenn es zum Wohl des Vater- 
landes und zur Erreichung großer Ziele für die gemein- 
same Sache erforderlich ist, ist in Rußland ohnehin 
niemals die Rede. 
Aber man hatte bei diesem leichtfertigen Spiel mit 
den vorhandenen Kräften an etwas anderes nicht gedacht, 
daß nämlich der gegenüberstehende Feind auf seine Art 
Folgerungen daraus zog. An der deutschen Front konnten 
diese planlosen und kraftlosen Stöße der Russen nur den 
Eindruck verstärken, daß es mit der Offensivkraft des 
Gegners immer kläglicher bestellt sei. Wenn es auch in 
den Tagen, von denen hier die Rede ist, offenbar nicht 
in der Absicht der Heeresleitung lag, ihrerseits zu einer 
neuen Offensive überzugehen, so konnte man doch die 
Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, den Russen in 
ihrer augenblicklichen Verfassung einen Denkzettel zu 
erteilen. Und so kam es, daß am 28. April südlich des 
Narocz-Sees von deutscher Seite der Spieß umgedreht 
wurde. Jetzt hatten die Russen zur Abwechslung einmal 
zu spüren, wie ein deutscher Vorstoß aussah. Es gab dort 
an der deutschen Front einiges zu verbessern. Zwar 
hatte man an dem einzigen Punkt, an dem während der 
russischen Märzoffensive die deutsche Linie etwas zurück- 
gezogen worden war, die früheren Beobachtungsstellen 
am 26. März wieder zurückgewonnen. Es war jedoch 
wünschenswert, hier weitere Verbesserungen zu erlangen. 
Noch über die Gräben hinaus, die wir vor der russischen 
Marzoffensive innegehabt hatten, drangen wir gegen die 
russischen Stellungen vor und nahmen ein beträchtliches 
Stück zwischen Stanarocze und Gut Stachowce. Unsre 
Truppen hatten einen wesentlichen Vorteil erreicht, und 
die verminderte Widerstandsfähigkeit der Russen war aufs 
neue an den Tag gekommen. Die russischen Verluste er- 
reichten wieder eine gewaltige Höhe. Unser Vorstoß brachte 
5600 Gefangene mit 56 Offizieren, darunter 4 Stabs¬ 
offizieren, ferner ein Geschütz, 28 Maschinengewehre und 
10 Minenwerfer in unsre Hand. Von den damit ver- 
bundenen blutigen Verlusten der Russen läßt sich nur 
sagen, daß sie dementsprechend schwer waren. Wie zu 
erwarten war, machten die Russen in der folgenden Nacht 
einen in dichten Massen geführten Gegenangriff, um das 
Verlorene wiederzugewinnen. Es gelang ihnen nicht, 
wieder erhöhten sich ihre Verlust^ um ein bedeutendes, 
ohne daß sie auch nur einen Schritt des ihnen abgenom- 
menen Bodens in ihre Gewalt brachten. In diesem Nacht- 
gefecht verloren die Russen noch vier Geschütze und einMa- 
schinengewehr. UnsreTrnppenmachtennoch83 Gefangene. 
Damit war auch die russische Apriloffensive, wenn 
man diefen schwächeren Nachklang der großen „Ent- 
lastungsoffensive" in der zweiten Hälfte des März so 
nennen darf, vorläufig erledigt. Sie hatte mit einem 
noch stärkeren Minus abgeschlossen als ihre Vorgängerin. 
Der Rückblick auf den Ausklang des deutschen Winter- 
feldzuges an der Ostfront war also recht erfreulich. Im 
Gegensatz zu dem ersten Kriegswinter war dieser zweite 
Winter im ganzen eine Zeit verhältnismäßiger Ruhe 
gewesen, in der es den Ausbau und die Sicherung des 
im Sommer 1915 Gewonnenen galt. Aber die deutschen 
Truppen hatten nun auch wieder einmal den Beweis 
geliefert, daß dieser Stillstand nach so außergewöhnlichen 
Erfolgen ihre Spannkraft und Wachsamkeit nicht im 
mindesten beeinträchtigt hatte. Mit vollem Vertrauen 
und unbedingter Siegeszuversicht konnte man nun in 
die Zukunft sehen. Es wirkte wie ein Symbol, daß in 
die Zeit der zuletzt geschilderten Kämpfe der Tag fiel, 
an dem Generalfeldmarschall von Hindenburg seiner 
fünfzigjährigen Zugehörigkeit zur preußischen Armee ge- 
denken konnte. Am 7. April wurde dieser Ehrentag des 
Mannes, dessen Persönlichkeit in besonderem Maße zum 
Wahrzeichen des unbedingten Vertrauens des deutschen 
Volkes in seine Führung geworden war, überall in deut- 
schen Landen unter begeisterten Huldigungen und 
Dankesbezeigungen für den ruhmgekrönten Feldherrn 
begangen. Zwei Tage vorher hatte der deutsche Reichs- 
kanzler im Reichstage eine Rede gehalten, deren Wider- 
hall, mochten unsre Feinde sie auch in ohnmächtiger Wut 
verkleinern und verhöhnen, durch die ganze Welt ging. 
Geradein bezug auf den Osten hatte Herr von Bethnann 
Hollweg ein gewichtiges Wort gesprochen. Er hatte ver- 
sichert, daß das Land zwischen der baltischen Küste und 
den wolhynischen Sümpfen, auf das wir.unfre Hand gelegt 
haben, nicht wieder den Russen ausgeliefert werden solle. 
Ein verantwortlicher Staatsmann von der Art unsres 
Reichskanzlers spricht nicht so schwerwiegende Worte aus, 
wenn er nicht die Überzeugung hat und haben darf, 
daß wir nicht nur die Wahrscheinlichkeit, sondern auch die 
Sicherheit haben, sie zur Tat werden zu lassen. So stehen 
wir in diesem Frühjahr an unsrer Ostfront mit der besten 
Zuversicht auf die Vollendung einer Arbeit, die uns durch die 
größten Schwierigkeiten bereits sicher hindurchgeführt hat.
	        
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