Volltext: 82. Heft 1914/16 (82. Heft 1914/16)

542 OOOaDOÜODOOaOOOOOOODOOOOOOOOOOOQGOOOOOOOOOOQOOODOaaOOOOaOODOOOGOOOOOODCaOOQOOOOQ 
Demgegenüber das ganz andere Bild auf deutscher sich zwischen den Waldstellungen beider Gegner ausdehnt, 
Seite, wo sofort jeder Mann mit harter Entschlossenheit sind russische Kolonnen niedergemacht, wie sie in breiter 
das Seine tut. Ein Schreinermeister etwa wirft aus Front angriffen. Wo der Einbruch nicht gelang, liegen die 
dem noch in deutscher Hand befindlichen Grabenstück Leichen noch bis auf drei Meter von den deutschen 
Handgranate auf Handgranate in die Russen. Er säubert Gräben entfernt. Wo der Einbruch gelang, sind diese 
fast allein den Graben. Der wütende deutsche Gegen- Stellungen völlig verschwunden, weil nach dem russischen 
stoß erschüttert die Russen dann sofort. Es ist außerdem Trommelfeuer das deutsche folgte. Deutsche Soldaten 
immer wieder erstaunlich: die oft im Aussehen einen haben bis zum Bauch im Wasser stehend bei sechs Grad 
guten Eindruck machenden Russen sind auch körperlich Kälte Tag und Nacht die Angriffe abgeschlagen. Weiter 
den furchtbaren Anstrengungen, die Eiswasser, Sümpfe, südlich, wo die Stellungen besser ausgebaut sind, ist die 
Granatfeuer stellen, weniger gewachsen als unsere oft Offensive stellenweise viel leichter und fast verlustlos ab- 
nicht mehr ganz jungen Leute" (wobei freilich ein- geschlagen worden. Bezeichnend für den russischen Angriff 
geschaltet werden muß, daß sich gerade hierin zeigt, war die durch Gewaltmittel noch mehr gesteigerte rück- 
wie stark verbraucht ., bereits das russische Menschen- sichtslose Tapferkeit und die mangelhafte untere Führung." 
material um diese Zeit war; von dem russischen Sol- Aus allen diesen Berichten und Erzählungen, die 
daten in normalen Zeiten kann man das nicht sagen), von so verschiedenen Grundanschauungen ausgehen und 
„Bei uns spricht niemand von solchen Dingen, sie doch so übereinstimmend es kundtun, geht hervor, daß 
pressen die Lippen zusammen, wenn es hart auf hart die russische Märzoffensive nicht nur für die Russen er- 
geht, und wenn gesprochen wird, geht es im Feld- gebnislos geblieben war, sondern die Lage zuungun- 
ton, der nichts von gefühlvollen Unterlegungen weiß, sten der Russen verschoben hätte. Das Selbstvertrauen 
aber es ist doch so, ein Geistiges siegt über Masse und der deutschen Truppen, das zwar fern von leichtfertiger 
Körper. Auch die Russen haben eine Anzahl tüchtiger Überhebung, aber ohnehin von berechtigter Festigkeit 
Führer, es gibt auch Soldaten, deren letztes Wort war, war noch gestärkt worden. Wo bis dahin noch kleine 
-Heiliges Rußland' war, aber es fehlt der Masse der Fehler und Schwächen bestanden hatten, die nicht ge- 
Funken, das Wissen, daß man siegen muß, muß! Das nügend beachtet und gewürdigt worden waren, wurden 
Verantwortungsgefühl, das jeden Mann bei uns erfüllt, sie jetzt beseitigt und ausgebessert. Die russische Offensive 
Dieser Kitt macht die Mauer Hindenburgs unerschütter- hatte diesen ehernen Reifen nur noch härter gehämmert, 
lich, was auch kommen kann und will." Mochten ferner die Russen ihre ungeheuren Menschen- 
Das Kennzeichen dieses Geistes trägt auch der Verluste noch so gering schätzen, so konnte doch die 
schlichte Bericht eines Kämpfers von der Dünafront, der größte Gleichgültigkeit gegen den Wert der geopferten 
schreibt: „Die große Offensive, deren Entwicklung wir Menschenleben nicht die Tatsache aus der Welt schaffen, 
zuerst nicht ohne Sorge, nachher mit stets sich steigernder daß die Russen infolgedessen einen Verlust zu verzeich- 
Ruhe und Zuversicht verfolgten und durchmachten, ist nen hatten, der durch keinen einzigen, wenn auch noch 
kläglich zusammengebrochen, kläglicher als selbst wir, die so kleinen Vorteil ausgeglichen wurde, sondern ein 
wir doch alte Russenkämpfer sind, je für möglich gehalten reines Minus blieb. Das wußte und fühlte man natürlich 
hätten. Es ist ja wahr, wir waren auf den Angriff vor-; auch in Rußland uud konnte sich in gewohntem Selbst- 
bereitet, unsre Stellungen waren in monatelanger bewußtsein nicht entschließen, den Mißerfolg und die 
zäher Schanzarbeit gut ausgebaut, alles war getan, um Niederlage einzugestehen und die der Lage wirklich ent- 
unser Leben so viel wie möglich zu schützen, die Stimmung sprechenden Folgerungen daraus zuziehen. Der alte, 
uusrer Leute war gut, mit blindem Vertrauen sahen in allen Jahrhunderten der russischen Geschichte fest- 
wir alle zum obersten Führer auf, und doch, es war gehaltene Grundsatz: „Menschen zählen in Rußland 
ein gar schweres Stück, eine Meisterarbeit, die wir voll- nicht" — sollte auch hier wieder zur Geltung kommen, 
bracht haben. Was ich immer wieder bewundern muß, Irgendwelche Berechnung der Wahrscheinlichkeiten des 
was mir die höchste Achtung abnötigt, das ist das Ver- Erfolges kam hier wohl kaum in Frage, sondern nur 
halten der Leute, sie mögen alte gediente Landwehr der unbestimmte Drang, das Schicksal durch stumpfsinnige 
oder junge Truppen sein, es bleibt sich gleich. Mit solchen Hartnäckigkeit, die die Maske heroischer Zähigkeit und Ent- 
Leuten kann man auch das Größte wagen, das Schwerste schlossenheit vornahm, zwingen zu wollen. So entschied 
aushalten! Wenn meine Nerven versagten, wenn ich sich die russische Heerführung im April zu neuen Angriffs- 
bestimmt dachte, ich bin am Ende meiner Kräfte ange- versuchen, ohne etwas Genügendes, geschweige denn 
langt, dann machte mich ein Blick auf meine Leute Durchgreifendes und Entscheidendes getan zu haben, um 
immer wieder frisch." Der Erzähler berichtet dann, wie die Ursachen des früheren Mißerfolges zu beseitigen, neue 
seine Leute in einer besonders gefahrvollen Lage mitten Bedingungen und Wahrscheinlichkeiten für den Sieg zu 
im stärksten russischen Granatfeuer Wasser heranschafften, schaffen und die Aussichten zu verbessern. Der Ausgang 
Alle Berichte über diese Kämpfe erwähnen über- war natürlich derselbe wie früher, da sich in den Voraus- 
einstimmend die ungeheuren Verluste der Russen, die setzungen des Angriffes nichts zugunsten der Russen, wohl 
durch ihre Höhe selbst in diesem blutigen Kriege auf alle aber manches zu ihren Ungunsten geändert hatte. Einer 
Angenzeugen einen besonders tiefen Eindruck machten. Gepflogenheit entsprechend, die wir auch schon bei der 
Hier führen wir am besten wieder das Zeugnis eines russischen Offensive gegen Osterreich-Ungarn bemerken 
Neutralen an, eines holländischen, keineswegs deutsch- konnten, glaubten die Russen auch diesmal ihrem Angriff 
freundlichen Berichterstatters. Er erzählt von dem besonderenNachdruck dadurch zu geben, daß sie ihn auf einer 
Schlachtfeld am Narocz-See: „An zwei Stellen habe ich breiteren Front wiederholten. Was sie eigentlich damit 
weU*über tausend noch nicht weggeräumte Tote mit bezweckten, wird wohl erst später nach dem Kriege auf¬ 
bloßem Auge zählen können. Besonders mörderisch ist geklärt werden. Es kann hier dahingestellt bleiben. Jeden- 
der Kampf gewesen, wo die Russen in die deutsche Stellung falls richtete sich der neue Angriff nicht nur gegen die 
eingebrochen waren und danach völlig wieder hinausge- Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls von Hindenburg, 
worsen worden sind. Auf einer großen Wiesenfläche, die sondern auch gegen die des Prinzen Leopold von Bayern.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.