Volltext: 73. Heft 1914/16 (73. Heft 1914/16)

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Haufen von russischen Leichen türmen sich vor den 
Gräben auf, häugeu in den zerrissenen Drahthinder- 
nissen. Schon glaubt die Grabenbesatzung den Sturm 
abgeschlagen zu haben und atmet auf. Doch neues Ge- 
schrei ertönt, über die Leichen der ersten Kolonne flutet 
eine zweite, eine dritte Sturmwelle heran — die braven 
Verteidiger sind atemlos, erschöpft von dem wütenden 
Kampfe, viele der Wackeren liegen bleich und für immer 
stumm auf der nassen, blutgetränkten Erde, viele Ver- 
wundete kriechen, humpeln, schleichen zur Verbands- 
stelle. Und der zweiten, der dritten Sturmwelle gelingt 
es, in den Graben einzudringen. 
Verzweifelt wehren sich die Verteidiger, aber ihre 
Zahl ist gering, ihre Kräfte sind erschöpft, sie müssen der 
Übermacht erliegen. 
In diesem Augenblick ertönt ein donnerndes Eljen 
hinter ihnen! Das sind die ungarischen Brüder, die 
Budapester Honvedregimenter Nr. 6 und 30, die den 
hart bedrängten Verteidigern des Grabens zur rechten 
Zeit zu Hilfe kommen. Das Sperrfeuer der russischen 
Geschütze hat sie nicht zurückgehalten. Mag auch mancher 
Kamerad da draußen auf blutigem Felde liegen geblieben 
sein, mit ungeschwächtem Mut und ungeschwächter Kraft 
stürzen sie sich am 19. Januar 1916 in gewaltigem 
Gegenstoß auf die eingedrungenen Russen. 
Ein kurzer Kampf — Säbel, Bajonett und Revolver 
und die fürchterliche Waffe der Ungarn, der Tokos, 
wüten in den Reihen der Feinde. Geschrei und Jammern 
— verzweiflungsvolle Rufe — Ächzen und Todesröcheln 
— hinaus aus dem Graben, und in wilder Flucht eilen 
die Russen nach ihren eigenen Stellungen zurück, ver- 
folgt von dem rasselnden Feuer der Maschinengewehre, 
von den Schrapnells und Granaten der österreichische 
ungarischen Geschütze, die Tod und Verderben in die 
Reihen der Flüchtigen werfen. 
Die sibirische Schützendivision ist vernichtet, die 
stolze Liniendivision zersprengt, die Sturmkolonnen sind 
zerschmettert. 
Und wieder heulen und brüllen die Geschütze die 
furchtbare, grause Melodie des Todes. Aber der Sieg 
ist erfochten dank den braven Kameraden von den unga- 
rischen Honveds, und stolz flattern die Fahnen Oster- 
reichs und Ungarns über der Stellung, die österreichische 
Zähigkeit und ungarischer Mut gegen einen über- 
mächtigen Feind gehalten hat. Vor der Stellung jedoch 
ist das blutige Schlachtfeld mit Tausenden von Leichen 
uud stöhnenden Verwundeten bedeckt. O. E. 
* * 
* 
Die Kämpfe bei Frise. 
Das Dörfchen Frise, das dem von der Somme hier 
in sumpfiger Niederung gebildeten Bogen wie ein 
Schlußpunkt aufsitzt, ist in Friedenszeiten das Paradies 
der Pariser Enten- und Wasserwildjäger. Sein Name 
hat für die Pariser Feinschmecker überdies noch einen 
besonderen Klang: aus dieser Gegend stammen die 
leckersten Hechte, Aale und Karpfen — wie uns Erich 
von Salzmann berichtet, haben uusre Leute hier in 
den ersten Januartagen 1916 einen Hecht von sage und 
schreibe 24 Pfund Gewicht gefangen. Dichtes Schilf- 
gebüsch, Erlen und Weiden säumen die Wasserläufe, die 
vom Herbst bis zum Frühjahr oft eine einzige breite 
Wasserfläche bilden. Schon seit Beginn des Winters 
hielten wir die Höhen nördlich des Sommebogens be- 
setzt. Das Ufer drüben hatten Franzosen und Engländer 
in Besitz. Hier vorzustoßen war ein schwieriges Be- 
ginnen. Die Feinde hielten es wohl überhaupt für aus- 
geschlossen. Abend für Abend schössen sie, sobald es 
dämmerte, aus Langweile auf die Entenschwärme. Da 
sollte Kaisers Geburtstag ihnen eine Überraschung übel- 
ster Art bringen. Unsre Truppen wollten diesen Tag 
in ihrer Art feiern: in kühnem Handstreich nahmen sie 
das Dorf Frise und erbeuteten 1.3 Maschinengewehre, 
4 Minenwerser nebst über 1200 Mann unverwundeter 
Gefangener, darunter 17 Offiziere — im Stellungskriege 
ein geradezu glänzender Erfolg zu nennen. In einer 
Breite von 3% Kilometern wurden rund 1000 Meter 
feindlicher Schützengräben der südlich an Frise schließen- 
den Stellung genommen, die das Dorf flankierte — der 
englische rechte Flügel stößt hier an den linken fran¬ 
zösischen — und dem Feinde damit gleichsam ein Pfahl 
in die schwärende Wunde getrieben. Nach genügender 
Artillerievorbereitung setzten unsre Feldgrauen zum 
Sturm an. Tollkühn, unaufhaltsam ging es über das 
krachende Eis, und ehe noch recht die Franzosen zur 
Besinnung kamen, waren wir schon in ihren Gräben. 
Hier und da kam es wohl zu blutigem Ringen — in der 
Hauptsache aber war es gelungen, die Franzosen zu 
überrumpeln, wie das ja auch deutlich aus der ver- 
hältnismäßig großen Zahl unverwundeter Gefangener 
hervorgeht. In der Presse der Gegner war so lange 
schon von einem Erlahmen der deutschen Stoßkraft und 
dem allerbaldigsten Beginn der neuen französisch-eng- 
lischen Offensive erzählt worden, daß dieser Handstreich 
auf Frise wie ein Blitz aus heiterem Himmel auf die 
verdutzten Feinde niederfuhr, ihnen deutlich zu Gemüte 
führend, was es in Wirklichkeit mit dem Ermatten des 
deutschen Soldatengeistes auf sich hat. A. 
* * 
* 
Die Versenkung englischer Kriegsschiffe durch 
Luftschiffbomben. 
Von Friedrich Otto, Berlin. 
Der 3. Februar 1916 wird in der Geschichte des Lust- 
schisskrieges so leicht nicht vergessen werden. An diesem 
Tage wurde zum ersten Male ein Kreuzer durch eine 
Luftschissbombe vernichtet. Ebenso wurden die Zer- 
störer „Eden" und „Nith" auf dem Humber durch die 
Bomben versenkt. Die erste Nachricht über dieses Er- 
eignis kam über Holland und lautete: „Beim letzten 
Luftaugriff auf England ist der englische kleine Kreuzer 
„Caroline" auf dem Humber durch eine Bombe getroffen 
worden und mit großem Menschenverlust gesunken." 
Der Kreuzer „Caroline" war erst am 21. September 1914 
vom Stapel gelaufen. Er hatte eine Wasserverdrängung 
von 3800 Tonnen und eine Geschwindigkeit von 30 See- 
meilen. Bestückt war er mit drei Geschützen von 15,2 cm 
und sechs von 10,2 cm, Er hatte zwei Torpedodoppel- 
röhre, seine Besatzung betrug 400 Mann. Es handelt 
sich hier also um einen erstklassigen kleinen Kreuzer, ein 
ganz modernes Kriegsschiff, das einem Zeppelin zum 
Opfer fiel. Es ist den Lesern bekannt, daß bisher nur 
Unterseeboote durch Bomben vernichtet werden konnten. 
Etwa vier bis fünf. Auch das sind großartige Leistungen, 
wenn man berücksichtigt, daß Tauchboote meist nur ein 
kleines Ziel für den Bombenwerfer bilden. Aber die 
Versenkung eines ganzen Kreuzers nebst zwei Zerstörern 
ist doch eine ganz andere Tat, ein geschichtliches Ereignis, 
dessen Möglichkeit vielfach von Theoretikern ganz be- 
stritten wurde. Sie beriefen sich darauf, daß eine Luft- 
schisfbombe niemals die in der Senkrechten nahezu un- 
verletzlich festgebauten Kriegsschiffe so stark beschädigen
	        
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