Volltext: 6. Heft 1914 (6. Heft 1914)

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Keine Kleinigkeit, wenn der Mann von der Tele¬ 
graphenkolonne mit dem Steigeisen an den Füßen bei 
zehn Grad unter Null an den mit Eiskristallen be¬ 
deckten Telegraphenstangen emporklimmt, um Iso¬ 
latoren auszuwechseln, oder wenn die Mannschaft der 
Fernsprechkolonne bei schneidendem Nordost und unter 
Granat- und Schrapnellfeuer in fliegender Eile die 
Leitung über die beschneiten Felder legt, um die ver¬ 
schiedenen Stäbe und Truppenteile schnell miteinander 
zu verbinden, und diese Verbindung sogar aufrecht erhält, 
wenn die Stäbe im Laufe des Gefechts, oder der Schlacht 
ihren Standort wechseln. Und ebenfalls keine Kleinig- 
keit, wenn die Pioniere ihre Pontons durch treibende 
Eisschollen schieben, die 
eisige Flut überbrücken, 
im tollsten Schneetreiben 
Dörfer in Verteidigungs¬ 
zustand setzen, zur Frei¬ 
machung der Rückzugs¬ 
linie Häuser sprengen, 
Verhaue errichten und 
Minen graben, oder 
wenn die Eisenbahner 
die gewaltigen Schnee¬ 
lasten von den Gleisen 
entfernen, die Durchlässe 
und Tunnelmündungen 
freimachen, Schneewehen 
bauen, die vereisten 
Schrauben an den ge- 
lo ckerten Schienenlaschen 
mit dem schweren Eisen¬ 
schlüssel fest anziehen und 
eine gesprengte Gleis¬ 
strecke durch eine neue 
ersetzen. Die Hände 
mögen bei solchen Ar¬ 
beiten starr und blau 
werden, aber der kate¬ 
gorische Imperativ der 
Pflicht ist in jedem Mann 
lebendig und läßt ihn 
unentwegt schuften, mag 
auch beim Ausheben 
der Schützengräben und 
beim Batteriebau der tief 
gefrorene Boden hart wie 
Fels sein. 
Auch die Mann¬ 
schaften auf Vorposten 
haben harte Arbeit zu 
leisten. Während eisiger Nacht in verschneiten Schützen¬ 
gräben und auf Posten zu wachen, immer mit 
gespannter Aufmerksamkeit über die weiße Fläche des 
Vorgeländes nach dem Feinde Ausschau zu halten, immer 
gewärtig, daß ein Überfall erfolgt oder ein Späher in der 
Absicht heranschleicht, im günstigen Moment die Vor¬ 
postenkette unbemerkt zu passieren, erfordert ein außer¬ 
ordentliches Maß physischer und psychischer Kraft. Steht 
der Posten an einsamer Stelle, so wird seine Psyche erst 
recht erregt, denn die Mystik des aus blendendem Schnee, 
blinkenden Sternen und Schatten der Nacht kompo¬ 
nierten Bildes stürzt mit Gewalt auf ihn ein. 
Vom Himmel sinken wieder breite Flocken herab, 
legen sich still auf die Erde, auf den Schafpelz des Postens 
und auf das kahle Geäst der nahen Bäume. Schneeweiß 
ist der Posten geworden —• eine wandernde Schnee¬ 
pyramide. Endlich die Ablösung! Er hängt dem ab¬ 
lösenden Kameraden liebevoll den Schafpelz um und 
stampft mit dem Führer von hinnen. F. 
* * 
* 
Feldgoltesdienst bei Reims. 
Der Krieg hat nicht nur die gewaltige aussöhnende 
Kraft, hoch und niedrig, arm und reich dem gleichen 
Schicksal gegenüberzustellen; denn kein Krieger weiß, ob 
er den nächsten Tag erleben oder je die Heimat wieder¬ 
sehen wird. Er hebt auch ihre Herzen empor zu 
dem Herrn aller Heerscharen, dem Gebieter über 
Leben und Tod, dessen 
Gegenwart sie inniger als 
sonst fühlen. Es ist also 
kein Wunder, daß eine be¬ 
sondere Weihe die Feld- 
gottesdienste umkleid et, zu 
denen sich die Krieger, in 
der Nähe des Feindes, 
umringt von Gefahr, ver¬ 
einigen: „Wir treten zum 
Beten vor Gott den Ge¬ 
rechten." Über eine solche 
ergreifende Feier in der 
Umgegend von Reims be¬ 
richtet der Zeichner un¬ 
seres Bildes, der dem 
Hauptquartier der Zweiten 
Armee zugeteilt ist. 
„Der Gottesdienst 
fand am Sonntag statt. 
Der Vormittag war sehr 
kalt und regnerisch, suß- 
tiefer Schlamm füllte die 
grundlosen Straßen. Kom¬ 
pagnieweise kehrten ver¬ 
schiedene Regimenter aus 
dem Gefecht zurück, zahl¬ 
reiche Offiziere und Leute 
hatten das Eiserne Kreuz. 
Auf einer freien, leichten 
Anhöhe wurde gegen 12 
Uhr im großen Viereck 
Aufstellung genommen. 
Ein Altar war mit Hilfe 
eines Protzkastens, einer 
Decke, einem Kruzifix und 
zwei Lichtern hergestellt. 
Die Prinzen Eitel Friedrich 
und August Wilhelm wohnten dem Gottesdienst bei. Als 
der Kommandierende mit feinem Stabe eintraf, gab der 
Geistliche der Musik das Zeichen zum Anfang. Wie 
mit einem Schlage hatte sich das Wetter geändert. Die 
Sonne drang durch und beschien uns. Der Schmutz an 
den Stiefeln fing an zu trocknen, und die Füße erwärmten 
sich. Draußen ging der Artilleriekampf weiter, der un¬ 
unterbrochene Kanonendonner ließ die Predigt zeitweise 
kaum verstehen. Uns allen tat es im Innersten wohl, 
uns einer Predigt hingeben zu können, und manche 
Träne sah ich auf harten Wangen." 
Wie es keine Parteien im Felde mehr gibt, sondern 
nur ein Volk, so treten vor dem Glauben an den großen 
Gott auch alle Unterschiede der Bekenntnisse zurück. 
Ihn ruft aus vollern Herzen eine einzige Gemeinde 
Phot. Vereen. Foto-Bureaux, Amsterdam. 
Herstellung -er vom Wintersturm zerstörten Telegraphenleitung.
	        
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