Volltext: 4. Heft 1914 (4. Heft 1914)

Tritt die Dunkelheit ein — in der jetzigen Jahres¬ 
zeit leider sehr früh —, so hat der Russe seinen besten 
Bundesgenossen. Er will durch Überraschung und mora¬ 
lische Eindrücke wirken. Die Dunkelheit ist sein Element. 
Der Gegner wird in Front und Flanken, wenn möglich 
auch im Rücken, mit ungezählten Massen von Ge¬ 
schossen jeder Art beworfen. Infanterie, Maschinen¬ 
gewehre, Feldartillerie und schwere Artillerie wett¬ 
eifern miteinander. Scheinwerfer, Leuchtgeschosse und 
Leuchtpistolen erhellen das Gelände. Eigentlich gezielt 
wird nur von der Artillerie. Diese ist überhaupt der 
bei weitem beste Teil des russischen Heeres. Es ist viel 
zu unbekannt geblieben,, welche bedeutenden, geradezu 
umwälzenden Fortschritte diese Waffe in allen ihren 
Teilen durchgemacht hat. Sie schießt vortrefflich. In 
ihxer Taktik nähert sie sich der französischen, bevorzugt 
auch die sogenannten „Rafales", die sicherlich für den 
Gegner sehr unangenehm sind. Das häufig aufgetretene 
Gerücht, französische Bedienung und japanische Ge¬ 
schütze unterstützten die russische Artillerie, hat sich meines 
Wissens nicht- bestätigt. 
Will man ein abgeschlossenes Bild der russischen 
Kampfweise geben, so darf man auch die Aufklärertrupps 
nicht vergessen, kleine Elitekommandos der einzelnen 
Truppenteile, die geradezu Erstaunliches leisten. Sie 
sitzen auf Bäumen, in Erdlöchern, in Gebäuden usw., 
beobachten den Feind und die eigene Waffenwirkung, 
sind durch Fernsprechleitungen mit ihren Truppen ver¬ 
bunden, nisten sich in Flanke und Rücken des Gegners 
ein und bestehen, im Gegensatz zur Masse ihrer Kameraden, 
aus vorzüglichen Schützen. Ohne sie wäre die russische 
Truppenführung gar nicht denkbar. 
In den nächsten Briefen sei noch manches erwähnt, 
wozu im Augenblick Zeit und Raum fehlt. Heute will 
ich nur den Schluß aus meinen Ausführungen ziehen — 
für alle im Osten Kämpfenden nichts Neues, für andere 
aber, namentlich solche, die später noch auf diesem 
Kriegsschauplätze tätig'sein werden, recht wichtig: 
Deutsches Wesen und deutsche Ausbildung sind 
weit überlegen. Wie bisher, werden wir die Russen 
schließlich immer wieder besiegen, selbst mit geringen 
Truppenstärken. Aber hüten wir uns vor den Nacht¬ 
kämpfen, wenn sie sich irgendwie vermeiden lassen! 
Wir verzichten in solchen auf die Ausnutzung unserer 
Waffen und unserer Gefechtsführung; wir tun den 
Russen den größten Gefallen und vermehren unnötig 
unsere Verluste. Der Deutsche ist Freund des Tages 
und der Helligkeit. Greifen die Russen uns bei Nacht 
an, so werfen wir sie, wie schon so oft, einfach zurück. 
Wir selbst aber wollen Nachtgefechte nicht herbeiführen, 
sondern uns an den kurzen Wintertagen im Gefecht 
immer mit dem begnügen, was wir bis 3 Uhr nach¬ 
mittags erreicht haben. 
* * 
* 
Visegrad. 
über den großen Entscheidungen, die sich im Osten 
und Westen vorbereiten, ist der eigentliche Anfang, der 
Feuerherd des riesigen Weltbrandes, mehr in den 
Hintergrund getreten: der Krieg zwischen Österreich und 
Serbien. Und doch ist es noch nicht lange her, daß die 
Augen aller Welt dorthin gerichtet waren. Wenn dieser 
Kampf inzwischen auch zu einem Nebenzweige des 
europäischen Krieges geworden ist, fo werden doch 
auch hier Heldentaten vollbracht, die im Buche der Ge¬ 
schichte aufbewahrt werden sollen. Was diese Aufgabe 
gegen das kleine Serbien für unferen Verbündeten 
schwierig macht und ihn zwingt, gegen ihn mit äußerster 
Anspannung der Kräfte zu operieren, das ist das unzu¬ 
gängliche gebirgige und waldige Gelände, das eben¬ 
soleicht zu verteidigen wie schwer zu bezwingen ist, 
das ist ferner der Umstand, daß die Serben als ein 
Bergvolk für den Kampf im Waldgebirge gewissermaßen 
geschaffen sind, und endlich die Tatsache, daß sie durch 
die kurz vorher geführten glücklichen Kriege in ihrem 
Selbstgefühl mächtig gehoben waren und die Erfahrung 
im modernen Kampfe vor den Österreichern voraus 
zu haben glaubten. 
Die Serben begannen denn auch ihre Operationen 
mit nicht geringer Energie, indem sie zu einer Zeit, 
als Österreich-Ungarn noch nicht zum Angriff bereit war, 
die Grenze überschritten und bei Visegrad eine überaus 
günstige und sorgfältig befestigte Stellung bezogen. 
Dieser Ort liegt an der Drina, ungefähr östlich von 
Sarajewo, der Stätte der serbischen Mordtat, die das 
Signal zum Kriege 1914 abgab. 
Trotz aller dieser Vorteile des Feindes gelang es 
unseren Verbündeten, ihn in einem kühnen Angriff 
am 20. und 21. August mit geringeren Kräften zu 
faffen, aus seiner Stellung zu werfen und über die Grenze 
zurückzujagen. Das heimkehrende deutfche Skutari- 
detachement beteiligte sich an diesem Kampf, so daß hier 
znm ersten Male die deutsch-österreichisch-ungarische 
Waffenbrüderschüft in die Tat umgesetzt wurde. 
Von der Erbitterung des Kampfes gibt unser Bild 
eine gute Vorstellung. Es zeigt das unübersichtliche 
waldige und hügelige Gelände, wo jeder Baum und 
jeder Stein Deckung gewährt und der Feind Mann 
gegen Mann und Schritt für Schritt vertrieben werden 
muß. Kolben und Bajonett tun hier blutige Arbeit. 
Sogar aus den Baumkronen müssen die Schützen her¬ 
untergeholt werden, wo sie sich mit besonderer Vorliebe 
festfetzen, um den Vorteil des Verstecks und des erhöhten 
Standortes auszunutzen. Diefe Kampfart ist ja bekannt¬ 
lich bei allen unferen Gegnern angetroffen worden. 
Inzwischen hat sich der Kampf gegen die Serben 
längst auf ihr eigenes Gebiet hinübergezogen. Und 
wenn auch die Entscheidung des großen Völkerkrieges 
nicht hier errungen werden kann, so sind doch auch 
diese Erfolge unseres Verbündeten wichtige Glieder in 
der Kette des endgültigen Sieges. M. 
Russische Verwüstungen und 
General Rennenkamps. 
Man kann die Zerstörungen im Kriege ungefähr 
folgendermaßen einteilen: 
1. Zerstörung von Gegenständen, die dem Feinde 
militärisch nützlich sein können; 
2. Verwüstung fremder Landstriche oder Ortschaften, 
um den Truppen des Gegners Nahrung und 
Obdach zu entziehen; 
3. dasselbe, um feindlich gesinnte Einwohner zu be¬ 
strafen; 
4. dasselbe im eigenen Lande, um feindlichen Truppen 
den Durchmarsch zu erschweren; 
5. Verwüstung aus Haß und Roheit, sowie Plünde¬ 
rung zu eigener Bereicherung. 
Wir Deutschen wenden nur die Zerstörungsart 
Nr. 1 an, — im äußersten Notfälle, wenn kein anderes
	        
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