Volltext: 25. Heft 1914/15 (25. Heft 1914/15)

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die Gestalten durcheinander. Unsere todesmutige Ma- 
schinengewehr-Abteilung hatte ihre Maschinengewehre 
vorgezogen und feuerte in den andringenden Feind. In¬ 
zwischen pfefferte unsere Artillerie in die zweite Stel¬ 
lung der Franzosen, daß ihr das Hervorbrechen verging. 
Wir sahen das Aufblitzen der krepierenden Granaten. 
Über uns die platzenden Schrapnells sahen nicht 
mehr wie weiße Lämmerwölkchen, sondern wie herab¬ 
rasselnde Sternschnuppen aus. Eine Hölle umtoste uns, 
und doch hörte man deutlich jedes Stöhnen der Ver¬ 
wundeten, jeden letzten Seufzer der zu Tode getroffenen 
Kameraden. 
Die Franzosen wehrten sich nach dem ersten Anprall 
verzweifelt. Aber wir wichen nicht. Wir ließen den Ma¬ 
schinengewehren Raum und mähten die Angreifer nieder. 
Auch bei diesen Nachtgefechten, bei denen der Sturm 
gegen den Feind den entscheidenden Höhepunkt bildet, 
kann eine Strategie geübt werden, 
die durch Berechnung und Über¬ 
raschung den Einsatz der Kräfte 
herabmindert bei um so rascherem 
Erfolg gegenüber dem Gegner. 
Von der Kirche in P. schlug 
es zwei Uhr, als der Brigadegene¬ 
ral sich Rapport über die beider¬ 
seitigen Verluste geben ließ. Wir 
hatten den Feind zurückgeschlagen 
und ihm drei Schützengräben ent¬ 
rissen. Als sich unsere Kompagnie 
gesammelt hatte, fehlte Unter¬ 
offizier Nölte. Ihn fand man 
ganz vorn beim zweiten Schützen¬ 
graben. Er hatte einen Kopfschuß 
bekommen, also nicht lange gelitten. 
Seine Hand umkrallte einen fran¬ 
zösischen Revolver, den er vorher 
erbeutet hatte, sicherlich im tödlichen 
Handgemenge für seinen Gegner. 
Für die Heftigkeit der Nacht¬ 
angriffe ist das Gelände maßgebend. 
Es ist nicht gesagt, daß sie im Wald¬ 
oder Gebirgsgebiet grausamer sind als in der Ebene. 
Gerade die Ebene läßt den Kampf offen zu, ohne daß 
ihm die Natur Schwierigkeiten und Hemmnisse entgegen¬ 
setzt. Die russischen Nachtangriffe sollen die ver¬ 
wegensten sein. Aber wer ein solches Nachtgefecht, wo 
es auch immer sei, mitgemacht hat, wird den schaurigen 
Eindruck nicht wieder los. Unsere Väter 1870/71 waren 
auch in dieser Beziehung besser dran. Sie kannten noch 
keine Nachtgefechte, die sich erst in diesem Kriege aus dem 
schwierigen und schrittweis den Boden sich abringenden 
Stellungskampfe entwickelt haben. E. B. 
* * 
* 
Der Pyrrhussieg der Engländer bei 
Neuve-Chapelle. 
Etwa mittwegs zwischen Ypern und Dixmuiden 
liegt in einem von zahllosen Drainierungskanälen durch¬ 
schnittenen Sumpfgelände das kleine flandrische Dörfchen 
Neuve-Chapelle, das am 10. März und den folgenden 
Tagen der Mittelpunkt außerordentlich heftiger Kämpfe 
war, da die Engländer hier mit ungeheurer Übermacht 
— „vierzig englische Bataillone gegen drei deutsche", 
heißt es davon in einem Bericht — einen Durchbruch 
durch die deutschen Linien versuchten. Vor dem Kampfe 
hatte General French folgenden bei englischen Gefangenen 
gefundenen Armeebefehl erlassen: „Der Angriff, den 
wir auszuführen im Begriff sind, ist von größter Be¬ 
deutung für die Sache der Verbündeten. Heer und 
Volk erwarten mit Spannung den Ausgang, und Sir 
French hofft, daß jeder Mann des vierten Korps seine 
Pflicht tun wird, damit das siebente deutsche Korps, 
das uns gegenübersteht, besiegt werde." Eine „Kriegs¬ 
list", die des „perfiden Albion" wahrhaft würdig, leitete 
die Kämpfe ein und hatte leider (wie einst jene ähnliche 
dem großen Friedrich gegenüber bei Hochkirch) den ge¬ 
wünschten Erfolg. Scharen von Indern, Sikhs und 
Gurkhas, liefen mit erhobenen Händen am Tage vor 
dem Angriff auf die deutschen Schützengräben zu, um 
sich gefangen zu geben. Natürlich wurde auf die Braunen 
nicht geschossen; unbehelligt erreichten sie die Gräben 
und wurden alsbald abgeführt. Der Morgen des 
10. März brach an, auf den Wiesen und Sümpfen längs 
der Mer lag dichter, grauer Nebel, 
und als die Sonnenstrahlen ihn end¬ 
lich zerteilt, sahen die Deutschen 
drüben wieder lange Ketten indischer 
Überläufer, die sich rasch näherten. 
Kaum aber waren die Braunen in 
unseren Schützengräben, als sie die 
versteckt gehaltenen Meuchelmesser 
zogen und über die ahnungslosen 
deutschen Soldaten herfielen. Das 
war das Signal zum Vorsturm der 
englischen Truppen, die so mit 
Leichtigkeit die vordersten deutschen 
Schützengräben nehmen konnten. 
An ernstlichen Widerstand war 
seitens der völlig Überraschten an¬ 
fänglich kaum zu denken, und nun 
griffen die Engländer hier und dort 
zu noch nichtswürdigerer und ver¬ 
werflicherer List. Teils trieben sie 
die deutschen Gefangenen als Schild 
vor sich her, wobei sie die sich 
Sträubenden, wie berichtet, mit 
Knütteln totschlugen; teils zogen sie 
die Uniform der gefallenen deutschen Soldaten an und 
täuschten so eine deutsche Abteilung über ihr eigent¬ 
liches Ziel. Das klingt so ungeheuerlich und erinnert 
so durchaus cm die Kampfweise der Indianer oder 
Neger, daß man es kaum glauben würde, hätte nicht 
die . . Division zur Warnung der Truppen amtlich 
bekanntgegeben: „In deutschen Mänteln und Helmen 
winkten etwa 250 Engländer eine Schar deutscher 
Soldaten heran, um diese dann auf uahe Entfernung 
nieder zu knallen. Deutsche Gefangene wurden von den 
Engländern beim Vorgehen gewissermaßen als Deckung 
benutzt." Gleichzeitig mit dem heimtückischen Sturm¬ 
angriff ihrer Infanterie eröffnete die englische Artillerie 
ein wahrhaft mörderisches Granatenfeuer auf die deut¬ 
schen Stellungen. Unsere Braven hielten ihm gleich¬ 
wohl so lange stand, bis die Vernunft immer dringender 
den Rückzug riet, ja befahl; die feldgrauen Uniformen 
der deutschen Soldaten waren derweilen von den giftigen 
Pikrindämpfen der englischen Geschosse völlig zitronen¬ 
gelb gefärbt worden! Im Dörfchen Neuve-Chapelle 
selbst kam der Kampf auf Stunden zu stehen. Haus 
für Haus mußte von den Engländern in zähem Ringen 
genommen werden, und die gut versteckten deutschen 
Maschinengewehre mähten ganze Hekatomben der Feinde 
nieder. Aber die numerische Übermacht der Engländer 
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