Volltext: 220. Heft 1914/18 (220. Heft 1914/18)

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Es ist Nacht. Der Herbststurm heult über die Felder. 
In dicken Tropsen fällt der Regen. Geschütze rasseln 
die Straße entlang. Der Marschtritt von Infanterie- 
regimentern tönt gedämpft durch das Prasseln des 
Regens. Lichter blitzen auf. Die Kompagnien sind 
todmüde. Können sich kaum aus den Beinen halten. 
Durchnäßt bis auf die Haut, die Uniformen mit Dreck 
beschmiert und zerrissen —, so gehen sie zurück. In ihrem 
Rücken Kleingewehrfeuer und das Krachen von Feld¬ 
kanonen. Die Nachhut bleibt in Fühlung mit dem 
Feinde. Nun wälzen fich die Regimenter durch ein 
Dorf. Schreien, Toben und Zurufen. Die Pferde 
werden aus den Ställen gezogen, Fuhrwerke mit 
Lebensmitteln aus den Schuppen geholt. Lichter irren 
durchs Dorf. Meldereiter auf fchweißbedeckteu Gäulen 
galoppieren umher. Ein dumpfer Krach. Flammen 
schießen empor. Funken wirbeln in die Lust. Die 
deutsche Telephonzentrale mit ihrem Gerät steht in 
Flammen. Lange noch brennt das Haus. Eine riesige 
Fackel. Darüber, aus der Qualmwolke gebildet, die 
Faust eines Riefen, die sich scharf abhebt vom geröteten 
Himmel. 
Und wie der junge Morgen noch mit dem Iiebel 
ringt, erbebt der Boden unter den Huftritten der eng¬ 
lischen Reiterei. Vorweg der Führer auf schaum- 
befpritztem, zitternden: Gaul. Ein Schuß, hell wie ein 
Peitschenknall. Der Sattel ist leer. Und der Schoß 
des Dorfes gebärt gewappnete Menschen. Kugeln 
spritzen hinein in die Reiterei. Zu Tode getroffen, 
röcheln die Rosse, schlagen wild mit den Hufen um sich. 
Englisches Fußvolk naht, rennt hinein in den Geschoß- 
hagel, das Sperrfeuer der deutschen Artillerie. Und 
bricht zusammen unter den Schlägen, die der weichende 
Gegner austeilt. £>, o. H. 
* * 
* 
Ein Besuch bei unsern Minensuchern in der 
Nordsee. (VII.) 
Ein Gesprächinder K a jüte. 
Andre Männer, andre Gesichtspunkte, neue An¬ 
regungen. So dachte ich, als ich mich bei dem Chef 
einer Minensuchhalbslottille melden ließ, um mein Wissen 
über diesen wichtigen Teil unsrer Flotte zu vervoll¬ 
ständigen. In liebenswürdiger Weife wurde mir ge¬ 
stattet, mit dem H.EHef (Halbflottillenchef), Kapitän¬ 
leutnant R., einige anregende Stunden in seiner ge¬ 
mütlichen Kajüte zu verplaudern. Draußen heulte ein 
steifer Nordweststurm, der für diesen Tag ein Auslaufen 
der Minensuchboote unmöglich machte. Um so besser 
plauderte es sich mit meinem Gastgeber und zwei be¬ 
währten Kommandanten über ihr Tagewerk. Ich will 
einiges aus dem Inhalt des Gesprächs hier wieder¬ 
geben. 
Verteidigung, Defensive liegt nicht in der Natur 
des Deutschen. Weder zu Lande noch zu Wasser. „Ran 
an den Feind", die Losung unsrer Marine! Das war 
und ist unser Leitsatz. Auch im Minenkrieg. England 
hatte sich die Verwendung der Seemine nur defensiv 
gedacht. Da streute ihm die „Königin Luise" gleich in 
den ersten Kriegstagen eine Schiffsladung Minen vor 
die Th ems emündung. Unterseeboote wurden als 
Minenleger verwendet. Kein Hafen Englands von 
nennenswerter Bedeutung ist von deutschen Minen ver¬ 
schont geblieben. Derselbe Angriffsgeist in der Minen¬ 
tätigkeit, wie in ber ganzen Stibeit unsrer Flotte. Be¬ 
schießung englischer Häfen durch Hochseestreitkräfte und 
Unterseeboote. Wann fiel eine englische Schisfsgrauale 
auf deutsches Land? Die zahllosen Luftschiffangriffe auf 
England, die Bombenflüge unfrer Seeflieger nach 
England. Ein einziges Mal, am ersten Weihnachtstage 
1914, erschienen Englands Wasserflugzeuge über unsern 
Norbseeküsten, zogen mit zersetztem Gefieder wieder ab 
und kanten nie mehr wieder. Ein gebranntes Kind scheut 
das Feuer. Der I7-Bootkrieg setzte ein, unb er zielte auf 
bas Herz unsres erbittertsten Feindes, England, das, 
auf den Lorbeeren Nelsons unb ber großen Admirale 
ber Königin Elisabeth eingeschlafen, nun erwachte. 
Hier rüttelte ein junger, angriffsfreubiger unb lebens¬ 
kräftiger Kämpfer an beit A igeln britischer Weltmacht. 
Tödliche Furcht vor bett einfchneibenben Folgen einer 
Nieberlage schreckte Englanb ans seinem Schlummer 
auf. Es begann ben offensiven Minenkrieg, warf Minen 
in steigenber Zahl in bie Deutsche Bucht, um ben ge¬ 
fürchteten, gehaßten Unterseebooten bas Auslaufen zu 
wehren. Vergebens; bie Fahrstraßen für unsre Unter¬ 
seeboote würben offengehalten. Ohne erfolgreiche 
Minenfuchtatigkeit wäre ber U-Bootkrieg jeboch bald 
ins Stocken geraten. Die Arbeit wird schwerer, weil 
England von uns im Verlaufe des Krieges gelernt hat. 
Früher detonierte eine Mine erst einige Sekunden nach 
dem Aufprallen, wenn das betreffende Schiff in vielen 
Fällen schon darüber hinweggeglitten war; heute tritt 
die Wirkung sofort ein. Die englischen Minen ber ersten 
Kriegsmonate waren harmlos. Die heutige Gattung 
ist verteufelt wirksam. Englanb hat von seinem Schüler 
viel gelernt. 
Ja, ben Angriffsgeist haben wir. Ihn fürchteten 
bie Englänber, wenn auch ohne sebett Grunb, schon im 
Frieben. Im Jahre 1913 schrieb bas „Nautical Maga¬ 
zine" einen Aufsatz über bentsche Kriegsfchiffstypen unb 
meinte: „Der weit ausladende Rammsporn ber deutschen 
Kreuzer scheint so recht charakteristisch für bie aggressive 
Politik bieser Nation zu sein." War unsre Politik ag¬ 
gressiv? Währenb Englanb in aller Stille sich in Persien 
unb am Persischen Golf festsetzte, bie Surenrepubliken 
annektierte, auf bet Malaifchen Halbinsel bie Schein- 
herrschaft ber eingeborenen Sultane noch mehr ein¬ 
grenzte, um Hintetinbien zu einer englischen Kolonie 
zu machen, währenb Frankreich sich in Afrika unb Asien 
ausbreitete, Marokko, Mabagaskar unter feine Herrschaft 
brachte, ging Deutschland» friedlich seinem Erwerb nach. 
Je mehr es aber erstarkte unb je größer seine Flotte 
ward, desto mehr fürchteten die alten Seemächte West¬ 
europas ben jungen Mitbewerber unb bichteten ihm 
Ziele an, bie er nicht hatte! 
„Wie lange halten sich unsre Minen eigentlich im 
Wasser?" frage ich. Nun, vor einiger Zeit haben wir 
einmal, um uns von bem Zustaub unfrer eigenen, zum 
Schutze ber Deutschen Bucht ausgelegten Minen zu über¬ 
zeugen, eine Mine geholt. Sie lag schon jahrelang im 
Wasser. Das kleine Boot wirb zu Wasser gesetzt, ber 
Totpebet geht hinein unb läßt sich an bas Minenfeld 
heranrudern, springt ins Wasser, schwimmt an die Dom 
Grund gelöste Mine heran und bricht dem teuflischen 
Getier die Giftzähne aus. Die Mine kommt an Bord. 
Ergebnis: Tadellos erhalten, das Material in glänzendem 
Zustande, die Wirkung der Minen wahrscheinlich ebenso 
fürchterlich wie ant ersten Tage, als sie vor vielen 
Monaten ins Wasser glitten. Deutsches Material! 
Meine Ausfragerneugierde forscht nach heiteren unb 
traurigen Begebenheiten aus betn Alltagsleben ber 
Minensucher. Ach, von ersteren war nicht viel zu ver-
	        
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