Volltext: 219. Heft 1914/18 (219. Heft 1914/18)

\ 746 OOOOÖOOOnOGOOOOOOOOOOCDCOOOCOQOOCDOOOOOQClOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOCOOOOOQOOOOOOOOOO 
.Voneinem Torpedo getroffen. 
Herbststimmung liegt über der Nordsee; es stürmt 
aus Nordwest, diesig und grau sind Luft und Himmel, 
düster und grau, mit weißen Schaumkämmen ist auch 
die See, und wenn eiije Regenbö über sie hinwegfegt, 
erscheinen die aufgewühlten Wellenberge schwarz und 
noch finsterer und drohender. Allmählich geraten auch 
die schweren Linienschiffe ins Schlingern und Stampfen, 
so daß die oft überkommenden Seen fprühend bis an den 
vorderen Geschützturm klatschen, über die Schanze fegen 
und durch die Geschützpforten irt die Kasematten schlagen- 
Schwerer, anstrengender Dienst ist es heute für Offi¬ 
ziere und Leute auf der Brücke und auf den Ausguck¬ 
posten. Der heftige Wind treibt ihnen Seewasser¬ 
spritzer und Regenschauer in die Augen, doppelt auf¬ 
merksam müssen sie jetzt bei der stürmischen See sein, 
in der Treibminen und Seerohre feindlicher I7-Boote 
kaum zu erkennen sind. Nichts ist zu entdecken, soweit 
das Auge reicht. ... 
Von unten herauf tönt das charakteristische Ge¬ 
räusch der Maschinen, Kessel, Motoren und all der 
sonstigen vielen Hilfsapparate eines modernen Linien¬ 
schiffes, dazwischen klingen vereinzelt kurze Befehle und 
Meldungen durch Telephone und Sprachrohre von der 
Kommandozentrale an die Unterstationen und Gefechts¬ 
truppen, hier nach der Wasferpeilung fragend, dort 
Befehle zum vorsichtigen Durchlüften einzelner Räume 
gebend, fönst hört man nichts weiter. 
Eben haben nach dem Mittag eff en die Ablöfungen 
stattgefunden, da läßt eine gewaltige Explosion das 
Schiff erbeben, es ist, als hätte eine Riefenfaust die 
Bordwand getroffen und hinten den Schiffskörper 
hochgeschleudert. Im Achterschiff stürzt alles durch¬ 
einander, Menschen und Gegenstände; es zittern und 
zischen die unter Hochdruck stehenden Kessel und Ma¬ 
schinen. Krachend fallen die Bunkertürschotte, fchließen 
sich die letzten Verschlüsse, und schrill tönen die Alarm¬ 
glocken durch das Schiff. Unheimlich wirkt nach dem 
furchtbaren Knall die danach augenblicklich eintretende 
scheinbare Ruhe, und jeder fragt sich unwillkür¬ 
lich: Wo hat es getroffen, was war es, Mine oder 
Torpedo? 
Da dröhnt es schon von der Kommandobrücke in 
die Leckzentrale: „Ruder versagt und klemmt hart 
St. B." Das bedeutet, das Schiff ist steuerlos und in 
größter Gefahr. In der Leckzentrale raffeln und hupen 
. die Telephone, kreischen die Pfeifen der Sprachrohre 
durcheinander und überstürzen sich die Meldungen: 
„Hier dringt Wasser ein; dort drohen Schotte aufzu¬ 
brechen; die Ruderräume geben überhaupt keine Ant¬ 
wort mehr, sie sind ausgefallen. Das Personal ist 
scheinbar tot!" Also dort hat's getroffen. Ruhig und klar 
gehen die Befehle der Leckleitung an die gefährdeten 
Räume; Hilfsmannschaften zum Lenzen und Ab¬ 
dichten des einbrechenden Wassers werden dort hin¬ 
geschickt. Langsam beginnt das Schiff hinten tiefer ein¬ 
zutauchen und neigt sich auf die getroffene Seite, schnell 
wird es durch Einlassen von Flutwasser auf der andern 
Seite vorn geradegelegt. Alles arbeitet fieberhaft. 
Oben fangen die Geschütze an zu donnern. Anscheinend 
ist es ein feindliches U-Boot, das weiter anzugreifen 
sucht. Mit den Maschinen steuert indessen das Schiff in 
der schweren See mühsam weiter. Bitter ernst ist die 
Gefahr, und jeder Augenblick kann eine neue Explosion 
bringen; schnelle Hilfe tut not. 
Doch wie sieht es in der getroffenen Ruderanlage 
aus? Noch furchtbarer war die plötzliche Explofion für 
das dort auf Gefechtsstationen befindliche Perfonal 
gewesen. Zwei Leute, die nur durch ein Schott von 
dem Explosionsort getrennt standen, sind wie durch 
ein Wunder nicht zerrissen. Sie wissen nur noch von 
einer riesigen gelben Flamme, von Knirschen und Bersten 
der aufreißenden Schott- und Bordwände und von einem 
gewaltigen Luftdruck, der sie gegen die nächste Schottür 
schleuderte. Der körperlich Stärkere von beiden hat 
noch die Kraft und die Geistesgegenwart, feinen fchon 
halb betäubten und im Waffer liegenden Kameraden 
hoch und durch die nahe Schottür zu reißen und diese 
dann, wie sie es gelernt haben, fest hinter sich zu schließen. 
Dazu reicht die letzte Kraft noch aus, dann fallen beide, 
durch Gas betäubt, um, aber die Tür ist zu, und das 
Wasser kann vorläufig nicht weiter. Das Perfonal in 
dem auf der andern Seite des Explosionsortes liegenden 
Rudermaschinenraum wurde hochgeschleudert und findet 
sich auf den Flurplatten wieder. Einen Augenblick nur 
bannt sie das Entsetzen und der harte Fall, dann siegt 
die Pflichttreue. Aushalten im Räum und die Ruder¬ 
maschine retten, von der so vieles, vielleicht alles, ab¬ 
hängt, und wenn es den furchtbarsten Tod bedeutet. 
Unheimlich braust das eindringende Wasser und 
pfeift die dadurch ausströmende Luft durch Riffe, Niete 
und Nähte der verbogenen Schotte. Die Rudermafchine 
ist, durch den gewaltigen Stoß in den Kuppelungen ver¬ 
klemmt, stehengeblieben. Zifchend fährt aus feinen Un¬ 
dichtigkeiten der Dampf in die Räume, vermischt sich mit 
dem jetzt überall brausenartig eindringenden Wasser 
zu einem dicken weißen Wasserdampf, in dem mit Gas¬ 
masken nicht mehr zu arbeiten, kaum noch zu atmen ist. 
Dann geht auch das elektrische Licht aus, stockfinster ist 
es in dem Raum, und unheimlich schwankt das Schiff 
hin und her. Jeden Augenblick kann das verbogene 
Schott aufbrechen oder eine neue Explosion erfolgen, 
und dann wäre kein Entrinnen mehr möglich, das herein¬ 
brausende Wasser würde alles rettungslos ertränken. 
Die Leute wissen dies, sie kennen ihr Schicksal in dieser 
Hölle, es ist Nahkampf in schärfster Form. Doch un¬ 
bedenklich halten sie aus und versuchen beim spärlichen 
Schein ihrer Taschenlampen, die Rudermaschine wieder 
klar zu machen und das eindringende Wasser abzustoppen. 
Doch sie können es nicht schaffen, sie beginnen zu taumeln 
und fallen von unsichtbaren Explosionsgasen, die du.ch 
das eindringende Waffer hereingedrückt sind, betäubt 
um. Minuten hat dies alles nur gedauert, fchon kommen 
Kameraden aus den Nächbarräumeu zu Hilfe, aber auch 
von ihnen muß einer nach dem andern nach kürzester 
Zeit fchon durch die Gafe betäubt zurück, ohne melden 
zu können, wie gefährlich es drinnen steht. Weiter steigt 
das Wasser, und immer bedrohlicher biegt sich das Schott. 
Endlich gelingt es den inzwischen von der Leckleitung 
geschickten Hilfsmannschaften, Licht und Luft zu schaffen; 
bis zu den Knien stehen die Leute im Wasser, fieberhaft' 
wird gearbeitet, mancher sinkt auch von ihnen durch 
die Gase betäubt um, aber'es gelingt doch, das Wasser 
zu lenzen, das gefährdete Schott zu verkeilen, mit 
schweren Stützen abzusteifen und, zuletzt, auch das noch 
unbeschädigte Ruder in Betrieb zu nehmen. 
Das- Schiff kann wieder steuern, seinen Kurs und 
seine alte Fahrt aufnehmen; die größte .Gefahr ist be¬ 
seitigt, und alles atmet befreit auf! Böfe Minuten waren 
es, als man steuerlos allein da herumtrieb, und nur 
der Geschicklichkeit der Schiffsleitung war es zu ver-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.