ForLt de Satgne
Kathedrale in Noyon.
ooooooooQOooooooooooGoooo^ooQcoooooQooQoooQOQOooQQQQpacoQooooaopooooaooooQöcooQc
der Schall nach beiden Seiten,
fluten kann. Aber der Herzschlag
des Baues stockt schon lange —
die Uhr am rechten Turm ist durch¬
schossen. Und wie hier das sym¬
bolisch Innerste, das Leben der
Kathedrale getroffen ist, so steht es
auch mit dem ganzen herrlichen
Ban: die Kirche ist nicht allein
zum Krüppel geschossen; sie wird
weidwund werden wie die Kathe¬
drale von St.-Quentin. Man wird
sie' einst in ihrem ursprünglichen
Ban kaum wieder herstellen
können. Die letzten täglichen Be¬
schießungen werden das Ihre
dazu beitragen.
Als ich die Kathedrale zum
ersten Male betrat, konnte man
noch durch zwei Tore des Haupt¬
portals ius Innere gelangen. Das
dritte war an der Spitze von
einer Granate getroffen. Eine
Flut des weißlich-gelben Gesteins
lag eintritterschwerend über deu
Stufen. Der Boden in der Kirche
war übersät von bunten Scherben,
Steinbrocken, gestürzten Kirchen¬
stühlen. Der Baldachin des Kru¬
zifixes hatte zwei große Gefchoß-
löcher Ein Volltreffer war im
Hauptschiff durch die Decke ge¬
gangen, hatte jedoch die Säulen¬
galerien nicht mal stark beschädigt.
Wieviel hat Noyon im Laufe der Geschichte schon
erlebt! Karl der Große wurde hier gekrönt, Hugo
Capet zum König ausgerufen.- Hier erblickte Kalvin
das Licht der Welt. Franz der Erste von Frankreich
schloß den Vertrag vom 16. August 1561 mit Karl dem
Ersten von Spanien in dieser Stadt.
Und wie sieht es nun in der Stadt selbst ans, die einst
so hoch geachtet war; nicht allein wegen ihrer geschicht¬
lichen Vergangenheit, sondern auch wegeu ihrer Zucker¬
fabrikation, den Gerbereien, Brauereien, dem Leder-
und Getreidehandel.
'Ich durchstreife die Straßen bis an die Nordbahn
Compiegne-—Channy und zur kanalisierten Oise. Jen¬
seits des großen Waldgeländes des
wo sich die Aisne
zur Oise gesellt, muß
Compiögne liegen.
Unsre Flieger haben
schon damals, viele
Wochen vor Beginn
der feindlichen Som¬
meroffensive 1918,
überraschend viele
Brückenschläge e
deckt. Man hatte sich
vorbereitet auf das,
was kommen mußte.
Ich kehre zurück
znmMarktplatz.Wenn
die kunstbeflissenen
Barbaren nicht aus
deu Waldlagern in
Läulertgang der .Kathedrale in Notion.
die Stadt herniederstiegen, läge sie
traurig tot uud verlassen. So sieht
man immerhin Heine Trupps,
einige Wagen mit Offizieren,
mehrere Reiter neben den Straßen¬
patrouillen der Ortskommandantur.
Auch eine Feldbuchhandlung ist
im Begrifflich einzurichten. Häuser
stehen noch eine ganze Menge;
auf den: Marktplatz mit dem zer¬
schossenen Rathaus und dem Denk¬
mal, ebenso in den einzelnen
Straßen. Aber es sind nieist nur
Häuserkulissen. Bald ist der Dach'
stuhl heruntergebrochen, bald ging
die Granate durch die Seiteuwand.
In den Höfen, die man wegen
Einsturzgefahr kannt betretenkann,
fehlen die Rückwände der Häuser.
Rolläden und Fensterscheiben sind
zerfetzt und zersplittert. Sie be¬
decken die Bürgersteige, sowie die
Fahrstraße. Ganze Häuserblocks
liegen sogar völlig in Trümmern.
Man sieht dann nur Steinhaufen,
ans denen die verbogenen Gestelle
von Eisenbettstellen oder Ma¬
schinenteilen hervorlugen.
Der ehemalige Bischofspalast,
die Kaserne, das Seminar, die
Bibliothek, die Fabriken, all die
schönen' Bauten sind schwer be¬
schädigt. Die mit Regen und
Schnee in gespaltene Dachstühle
und aufgerissene Wände eindringende Feuchtigkeit wird
das Zerstörungswerk der Granaten fortsetzen.
Man möchte sich in manchen Straßenzügen die Nase
zuhalten, so schnell mctnsie auch durcheilt. Welch pestilenz-
artiger Gestank herrscht dort! Ist es der Schwamm, der
schon üppig in denHäusernwuchert? Sindesdiefanlenden
Einrichtung^egenstände, welche die Franzosen vor ihrem
Rückzug aus den Häusern auf die Gasse warfen, um besser
nach Kostbarkeiten wühlen zu können? Tun uns unbc-
erdigt in den Kellern liegende Leichen ihre Anwesenheit
auf diese Art kund? Oder sind es Reste des träge
flüchtenden Kampfgases? — — Schwärme von
Meaen und Rücken tun sich auf dem Unrat gütlich.
m das französische Heer an
einer heimtückischen
Krankheit, dem,,Fi-
övre de Noyon“ litt,
das wahrscheinlich der
Vorläufer der spa¬
nischen Grippeepide¬
mie gewesen ist!
Und nun heulen
der die Geschosse
in und um Noyon,
der sterbenden Stadt.
Weitn die Bewohner
ihr zertrümmertes
Heim je wieder fin¬
den, wird es den
Siegesjubel tu viel
Jammer und Klagen
wandeln.