Volltext: 20. Heft 1914/15 (20. Heft 1914/15)

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hervor, bas war eins. Pssss! — — pssss! — — — so 
wurden wir begrüßt. Was in den nächsten Minuten 
geschah, ist meinem Gedächtnis entschwunden. Nur 
das Schicksal meiner nächsten Kameraden hat sich meiner 
Erinnerung fest eingeprägt. Rechts von mir bricht 
mein bester Freund unter lautem Stöhnen zusammen. 
Eine der massenhaft durch die Luft pfeifenden Kugeln 
hat seine Brust durchbohrt. Mein linker Nachbar stürzt 
und röchelt nur noch leise. Der Tod hat ihn von weiteren 
Qualen erlöst. Ich stürze blindlings vor. „Stellung!" 
Wir haben einige Erdlöcher erreicht, die den sieges¬ 
sicheren Engländern vor Wochen noch als Deckung für 
einen Sturmangriff auf unsere Schützengräben dienen 
sollten. Jetzt werden wir ihnen zeigen, wie vermessen 
ihre Gedanken waren. „Schützenfeuer!" Ein furcht¬ 
bares Geknatter beginnt. Aber nicht lange können wir 
hier liegen. Die Deckung ist zu gering, die Entfernung 
zu einem letzten Bajonettangriff noch zu groß. Also 
„Sprung auf, marsch, marsch!" Das feindliche Schützen¬ 
feuer steigert sich 
zu einem rasenden 
Schnellfeuer.Trotz- 
demallerwärts Ka¬ 
meraden dahinsin¬ 
ken, von allen Sei¬ 
ten Stöhnen und 
Wehklagen ertönt, 
stürmen wir immer 
vorwärts. Da, ein 
Rübenfeld; dieses 
kann uns als letzte 
Deckung dienen. — 
Befehle ertönen 
nicht mehr, denn 
alle Offiziere find 
abgeschossen. Auch 
die Feldwebel lie¬ 
gen teils tot, teils 
verwundet auf dem 
Schlachtfelde. Aber auch ohne Kommando weiß jeder, 
daß hier noch einmal Stellung zu nehmen ist. Immer 
toller rast das feindliche Feuer. 
Da „Summ—• — rattsst, Bumm rattsst! Feindliche 
Schrapnells!" Eine Frage: „Sind wir stark genug, den 
letzten Stoß zu wagen, oder müssen wir Verstärkung 
abwarten?" Wir zählen ab: 1, 2 bis 21, da bricht die 
Zahlenreihe ab. 21 Mann von unserem vordem kriegs¬ 
starken Zuge. Da ist ein Sturm aussichtslos. Ein Mann 
kriecht im feindlichen Feuer zum Bataillonsstab, der in 
einem Hohlwege seines schweren Amtes waltet. „Ab¬ 
warten!" Unterdessen zischen ununterbrochen die uns 
allen bekannten „Kupferhüte" vorbei. „Eingraben!" 
Ja, den Spaten habe ich verloren. In der Not wird 
der Mensch erfinderisch. Das Seitengewehr herunter 
und den Boden lockern ist das Werk der nächsten Minuten. 
Doch dabei nur nicht den Kopf oder den Körper heben, 
das würde man schwer büßen müssen. Als Schaufel 
dienen die Hände. So entsteht langsam von hinten 
nach vorn eine längliche Grube, von vorn nur durch 
einen kleinen Wall gedeckt. Da, ein fürchterlicher Krach! 
Eine Kugel hat mein Kochgeschirr durchbohrt. Wieder 
ein ähnliches Geräusch. Mein Gewehrschaft ist zer¬ 
splittert. Der Schuß kann unmöglich von vorn gekommen 
sein. Den Kopf fest in den Lehmboden gedrückt, lausche 
ich. Richtig, auch von rechts und links begrüßt uns das 
todbringende Blei. Die Franzosen liegen'uns also auch 
in beiden Flanken. Aber nicht verzagen, Verstärkungen 
müssen kommen. Die Stunden werden zur Ewigkeit. 
Der Zeiger meiner Armbanduhr legt mit diabolischer 
Ruhe seinen altgewohnten Weg zurück. Es wird 11 Uhr. 
Ein feindlicher Flieger umkreist wie ein gieriger Raub¬ 
vogel unsere Stellungen. Doch einige wohlgezielte 
Schrapnells verjagen ihn aus seinem angemaßten Be¬ 
reich. Ein leichter Regen riefelt hernieder. Von unten 
die nasse Erde, von oben der Regen. Wie lange soll 
das noch dauern? Es ist %2 Uhr. Da, horch! In der 
Ferne erst ganz leise, dann näher und immer näher 
kommend das bekannte Taktaktaktak! Unsere Maschinen¬ 
gewehre! Immer lauter wird ihr Geknatter unsern 
Ohren vernehmbar. Ich hebe den Kopf. Nur noch 
vereinzelt krachen drüben am Waldrande die Schüsse. 
Der Feind ist erschüttert. Ohne Kommando springt 
alles auf und mit Hurra geht es den Berg hinauf. Da, 
dort, da rennen die Rothosen. Freudentränen treten 
mir in die Augen. Doch, was ist das? Alles ver¬ 
schwimmt mir vor 
den Augen. Meine 
Brille, sie ist den 
Heldentod gestor¬ 
ben. Rasch die 
Reservegläser auf. 
„Auf den abziehen- 
denFeind Schützen¬ 
feuer !" Wie kracht 
es da an allen Ecken. 
Den vermaledeiten 
Rothosen wollen 
wir die Rechnung 
von vorhin schon 
bezahlen; etwas 
schuldig bleiben, 
das ist nicht unsere 
Absicht. Hundert 
Meter vor—feuern 
— wieder vor — 
wieder feuern, das tut jeder, ohne daß ein Kommando 
ertönt. Der verlassene Graben wird besetzt. Wie hatten 
sich die Franzosen verschanzt gehabt! Schießscharten mit 
Laub verkleidet, Panzerschilde, Brustschilde, das alles 
hatte ihnen zur Sicherung gedient. Das eine weiß ich, 
hätten wir diese Stellungen innegehabt, und die Fran¬ 
zosen statt unser einen Sturm gewagt, sie wären alle 
vorher verblutet; nun und nimmer hätten sie uns 
da herausgekriegt. Das Tageswerk ist aber noch 
nicht vollbracht. Der Feind, der zwar die Aisne 
und den dahinterliegenden Kanal überschritten hat, 
muß verfolgt werden. Die französische Artillerie, die 
bis dahin wenig geleistet, empfängt uns mit Granaten 
und Schrapnells. Aber wie gewöhnlich, was nicht 
gerade Blindgänger ist, krepiert viel zu hoch. Nur wenige 
Geschosse verrichten ihre blutige Arbeit. Einige Kame¬ 
raden, die sicherlich eben noch geglaubt hatten, den 
Ehrentag lebend überstanden zu haben, brechen zu¬ 
sammen. Die Überlebenden stürmen über Drahtverhaue, 
Laufgräben und Schußlöcher hinunter zum Fluß. 
Es wird dunkel. Wir senden den über die Höhe 
flüchtenden Franzosen die letzten Abschiedsgrüße nach 
und begeben uns zum Sammeln. Wieder einmal 
hatten wir die Wahrheit des im Regiment geflügelten 
Wortes „Die Ückermärker stets voran" bewiesen. Die 
so oft gerühmte märkische Ausdauer und Zähigkeit hatten 
die Franzosen aufs neue erfahren müssen. 
Militär-Aeroplan in -er Sandwüste am Suezkanal.
	        
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