Volltext: 190. Heft 1914/18 (190. Heft 1914/18)

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Abb. 1. Bahn und Achsenlage eines nicht rotierenden Artillerie-Langgeschofses, wenn kein Luftwiderstand wirkte oder wenn es sehr schnell 
rotierte nnd eine zn große Achsensteifigkeit besäße. 
sind; nicht etwa mit Stickstoffsüßstoff, sondern mit patsch- 
weichem, widerwärtigem, klobigem Schnee. Und auf 
dieser unsicheren Unterlage heißt es jetzt die 900 Meter 
aufwärtsklimmen. Gleich nach dem Verlassen der oberen 
Seilbahnstation wendet sich der Weg in eine Lawinen- 
reisse, die mit der breiigen Masse besonders reichlich be- 
dacht ist und eine starke Stunde in Anspruch nimmt, ehe 
ihr Ende, ein Kessel unterhalb des untersten Abbruches 
des überhängenden Gletschers, erreicht wird. Dieser 
Kessel ist wieder der Platz für einen Seilaufzug —keine 
Seilbahn. Ein primitiver Aufzug fördert von da bis 
zur 800 Meter höher liegenden 
Station die Lasten. Die beiden End- 
stationen liegen in gegenseitiger 
Sicht, sind aber vom Feinde nicht 
eingesehen. Ein feindlicher Flieger 
muß wohl mal die Stationen photo- 
graphiert haben, denn ab und zu 
w ollt e eine Granateunsern Aufzug in 
Trümmer schlag en, aber dieVersuche 
waren erfolglos und seit geraumer 
Zeit ist kein Schuß mehr gefallen. 
Mein Weg führt an der unteren Station vorbei. 
„Grüß Gott!" sage ich zu dem Kommandanten, dem 
Zugsführer Huber, „gibt es etwas Neues?" „Nichts, 
Herr Leutnant. Viel Plage — aber das ist ja etwas 
Altes." „Nicht aufschneiden, Huber! Sie plagen sich 
doch überhaupt nicht. Wenn sich hier einer zu plagen 
hat, dann ist es die Seiltrommel. Sonst niemand." 
„Herr Leutnant — und meine Lumpl?!" „Ihre Lunge? 
Was hat denn die mit dem Aufzug zu schaffen?" 
„Hier", sagt er und weist triumphierend ein Ofenrohr 
vor. Ich stehe vor einem Rätsel. Der Huber merkt mein 
verdutztes Dreinschauen und beginnt sofort mit der Er- 
klärung der Sache. „Wissen Sie, Herr Leutnant, die 
Leute in der oberen Station haben mich nie verstanden. 
So stark ist meine Stimme halt doch nicht, daß sie die 
800 Meter übertauchen könnte, und die Zeichengebern 
hat auch beim schönsten Wetter oft und oft versagt. 
Wohl die hundertmal habe ich vergeblich mit dem Hammer 
Morsezeichen auf das Drahtseil geschlagen. Das End¬ 
Cn?ibkrafl 
Abb. 2. Darstellung der auf ein fliegendes Lang- 
geschoß wirkenden Kräfte. 
Von links wirkt die Triebkraft, von rechts der Luftwider- 
stand, so daß sich das Geschoß nach hinten überschlagen muß. 
ergebnis war schließlich doch ein verpfuschtes, und wenn 
ich 100 Kilogramm hinauszubefördern hatte, dann haben 
fie nur 50 Kilogramm Gegengewicht aufgeladen, und 
wenn ich 50 Kilogramm zu befördern hatte, dann haben 
sie bestimmt das Gegenwagerl mit 150 Kilogramm be- 
lastet, und das war dann ein Heruntersausen, daß ich 
wiederholt geglaubt habe, es wird mein ganzes Hütterl 
mit ins Jenseits nehmen. Aber jetzt bin ich aus dem 
Wasser. Das Ofenrohr da ist mein Retter." „Wieso?" 
frage ich. „Nun — ich brülle das, was die oben hören 
sollen, durch das Rohr, und jetzt gibt es kein Nichtver- 
stehen. Passen Sie einmal auf, 
Herr Leutnant." Und er nimmt das 
Rohr,setzt esso an, wie ein kundiger 
HofmusikerseinWaldhornzumMund 
bringt, und ruft: „Hallo! Achtzig Kilo 
auflad en. Rucksäcke kommen hinauf!" 
EineWeile vergeht, dann macht 
uns erb elad enes Wag erl einenkleinen 
Sprung vorwärts und schon gleitet 
es in anmutiger Fahrt die 800 Me- 
ter in die Höhe. Auf halbem Wege 
streichen die Wagen wie Punkte aneinander vorüber, 
und bald landet der Gegenwagen nach glatter Fahrt. 
„Bravo Huber," sage ich, „zeigen Sie einmal her!" 
Und, ich nehme das vortreffliche Ofenrohr, besichtige es 
aufmerksam und beginne herzlich zu lachen. Ein scharfer 
Bug der Blechwand deutet mir untrüglich an, daß ich ein 
Wiedersehen feiern kann. War es doch erst vorgestern, 
daß ich in einem Wutanfall über das niederträchtige 
Rußen, so wie ich im Bette lag, meinen schwerbenagelten 
Bergschuh nahm und auf das Rohr schleuderte. Und 
das quittierte den unsanften Gruß mit dem scharfen Bug. 
„Sie, Hub er, woher haben Sie denn das Rohr?" 
frage ich. Huber ist verlegen. „Der Diener vom Herrn 
Leutnant," stammelt er, „der hat es mir geschenkt. 
Wirklich wahr, Herr Leutnant, können ihn fragen." Mein 
Gewissen ist seit damals wieder in die angenehme Lage 
des Gleichgewichts gekommen. Weiß ich doch, daß mein 
Verfehlen gesühnt ist und daß das verachtete Ofenrohr 
nun bessere und wertvollere Dienste leistet als wie zuvor. 
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Abb. 3. Tie verschiedenen Lagen, die ein fliegendes Geschoß beim Kreiseln einnimmt. 
(An"einem Holzmodell etwas übertrieben dargestellt von Linke.) -,
	        
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