Volltext: 165. Heft 1914/18 (165. Heft 1914/18)

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P^or. leipziger ^rcüc.-iutvo. 
Einschlagende Granaten bei Brzezany. 
So gelangte Kerenski in die 
Regierung, der dann in kurzer 
Zeit den Weg zum maßgebenden 
Mitglied dieser Regierung, weiter- 
hin zum Haupt einer neuen Re- 
gierung und schließlich zumDiktator 
der russischen Republik zurücklegen 
sollte. Selbst durch Geburt und 
Erziehung dem gebildeten Bürger- 
tum angehörend — sein Vater 
war ein höherer Beamter der 
Schulverwaltung —, hatte er sich 
doch bei Ausbruch der Revolution 
entschieden auf die radikalere Seite 
gestellt und mit den Rodzianko und 
Miljukow wenig gemein. Sein 
scharfer Verstand und seine durch- 
greifende Energie, die ihre Ziele 
mit echtrussischer Bedenkenlosigkeit 
und Brutalität in Angriff nahm, 
paarten sich mit einem gewaltigen 
Ehrgeiz. Seine persönlichen Eigen- 
schaften machten ihn zum allmäch- 
tigen Volksführer in den Wirren 
einer schweren Zeit besonders 
geeignet. Ob die Behauptung, Kerenski sei wegen eines 
schon weit vorgeschrittenen Lungenleidens einem nahen 
Tode verfallen, auf Wahrheit beruhte, kann dahingestellt 
bleiben. Jedenfalls aber war er von zarter Gesundheit. 
Doch die eiserne Energie, mit der er seines hinfälligen 
Körper zwang, ihm in unermüdlicher Riesenarbeit zu 
gehorchen, wirkte, wie sich erkennen läßt, sehr stark auf 
seine Umgebung und sogar auf die Öffentlichkeit, obwohl 
sonst die russische Natur für das Verständnis eines 
Heroismus dieser Art nicht gerade besonders empfänglich 
ist. Jedenfalls war der persönliche Einfluß, den Kerenski 
dadurch ausübte, stark genug, um auch in den weitesten 
Alexander Kerenski. 
Kreifen den Eindruck einer außer- 
gewöhnlichenMacht hervorzurufen. 
Diefem Eindruck beugten sich die 
vorläufig ohne klare Ziele eines 
Führers harrenden Massen völlig, 
wie es dem russischen National- 
charakter entspricht, und so wurde 
Kerenski die Persönlichkeit, an der 
sich der letzte Rest kriegerischer 
Energie Rußlands noch einmal 
aufrichtete. 
Kerenski verstand es, den Be- 
- griff der National- und Waffenehre, 
der bei den revolutionären Par- 
teien in Rußland etwas in den 
Hintergrund geraten war, wieder 
lebendig zu machen. Dadurch ver- 
schaffte er sich das Vertrauen der 
Generale an der Front, die noch 
nicht gänzlich die Hoffnung aufge- 
geben hatten und bestrebt waren, 
die militärische Zucht aufrecht- 
zuerhalteu^söwie die in Unordnung 
geratenen Mannschaftsverbände 
wieder zu wirklichen Truppen in 
der Hand ihrer Führer zu machen. Zu diesem Zweck 
scheute Kerenski auch nicht vor drakonischen Maß- 
regeln zurück. Die Soldaten an der Front hatten 
sich ähnlich politisch organisiert, wie die Truppen der 
Heimat in den Arbeiter- und Soldatenräten, und 
diese politischen Organisationen hatten überall radikale 
Beschlüsse gefaßt, die neben der Formulierung der 
„Rechte", die den Soldaten gegenüber den Befehlen 
ihrer Vorgesetzten „zustanden", u. a. auch die Abschaffung 
der Todesstrafe enthielten. Kerenski aber setzte sich 
darüber hinweg; er stellte durch Verordnung der Re- 
gierung die Todesstrafe nicht nur als zu Recht bestehend 
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