Volltext: 131. Heft 1914/17 (131. Heft 1914/17)

gefüllte Körbe. Also dann: Granate ins Rohr. Ist kali¬ 
briert? Hilfsziel noch da? Dann in Gottesnamen: Acht 
Mann dageblieben und raus aus den Rohren, was raus 
will. Links flankieren... Und wird's nicht anders: 
Rohr sprengen, Verschluß vergraben! 
Weiter hastet und keucht die wackere Schar. Nun 
kommt die Minenwerferstellung. Wie steht's da? O 
Graus! An den Werfern kein Richt-, kein Ladewart, kein 
Führer mehr. Was ist noch brauchbar? Ein Mittlerer! 
Zehn Mann heran! Minen geschleppt und in drei Mi¬ 
nuten den ersten Schnß! 
Jetzt der sauerste Gang. Herrgott, hilf! 
Sie würgen) sich vor zur ersten Linie, zwei drei 
Gruppen und der Oberleutnant. Bum — kommt's von 
hmten. Gott sei Dank, die erste Haubitzgranate. Kurz 
drauf: Ploug! hurra, die erste mittlere Mine. Kerls und 
nun an die Schießscharten. Handgranaten aufgelesen 
und im vorderen Graben jede dritte Schießscharte besetzt, 
wenn's noch welche gibt. Munition findet ihr vorn mehr 
als genug. Und nun feuert, was die Knarren hergeben 
wollen. Die Stellung muß gehalten werden, hört ihr! 
In den zusammenhanglosen Erdlöchern und Granat¬ 
trichtern, in denen die wenigen Kämpen vom Infanterie» 
Reserveregiment noch liegen, jauchzen sie auf, als die 
Minenwerfer einschwarnten und der Feuerkampf auf¬ 
lebt in Front und Flanke, gedeckt, gestärkt von den letzten 
Minen und Haubitzgrauaten. 
Da kommt von rechts rückwärts noch ein Trüpplein: 
der andre Oberleutnant mit seinen Minenwerfern. Die 
haben auch erst die Feldbatterie, die längst schwieg, wieder 
flott gemacht, noch zwei leichte Werfer schußfähig ge¬ 
funden und verlängern nun nach rechts. 
So kam es, daß am 25. September 1915 helden¬ 
hafte Minen Werfer als Kanoniere am Geschütz, als Be¬ 
dienungsleute am Werfer und als Infanteristen hart am 
Feinde standen. Zeigt mir die Waffe, die ähnliches kann. 
Ein Hurra den Pionieren, diesen Universal-Getreuen! 
* * 
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„Abgelöst." 
Der gewöhnliche Sterbliche kann sich gar keine Vor¬ 
stellung machen von der Freude, die das Wort „abgelöst" 
im Herzen der Feldgrauen erweckt. Und diesmal mehr 
wie je. Nur wer sechs Wochen in den Sümpfen der Aa 
bei 20—30 Grad Kälte in ständigen Gefechten verbracht 
hat, der kann die erhebende Wirkung begreifen, die das 
Wörtchen in sich schließt. Statt eines Lebens in finsteren 
Blockhäusern, statt Postenstehens in metertiefem Schnee, 
statt angespanntester Aufmerksamkeit in dem schwierigen 
Sumpf- und Buschgelände auf einmal Ruhe in richtig¬ 
gehenden Stuben, mit Bett, Bad, Fenster und Ofen. 
Statt Granatenkrach das liebliche Brodeln der Gulasch¬ 
kanone. Statt blaugefrorener, berußter, seit Wochen 
nicht gewaschener und nicht rasierter Soldatengesichter 
Leute mit weißen Kragen um, sogar blonde Wuschel- 
köpfe unter kleidsamem Pelzbarett. Gestern kroch ich 
noch auf allen Vieren im Sumpfblockhaus herum, der 
Russe schmiß uns wohl zum zwanzigsten Male die kleine 
Fensterscheibe durch den gewaltigen Luftdruck einer dicht 
daneben krepierenden gewaltigen „schwarzen Sau" in 
1000 Scherben. Rasch schloß ein Pfropfen Holzwolle 
die eindringende schneidende Kälte ab. Aber wir saßen 
im Dunkeln. 
Heute wohne ich in einem prachtvollen Hause, habe 
gut gefrühstückt mit Tisch, Stuhl, Tischtuch, richtigem 
Messer und Gabel. Draußen dehnt sich vorm Fenster 
die breite Aa, die mit ihrer meterdicken Eisdecke als Land¬ 
straße und Exerzierplatz dient; drüben das alte Schloß der 
Herzöge von Kurland; hinter mir ein famoses Bett, man 
möchte gleich reinsteigen. — Aber ein kleiner Dämpfer 
wurde doch auf die Freude gesetzt. Die Tintenflasche 
im Koffer war in der grimmigen Kälte ganz gefroren 
und hatte das Glas gesprengt. Die Wärme hat den 
schwarzen Eisklumpen aufgetaut, und das finstere Naß 
hat sich einen Weg durch die Wäsche gesucht; die zur Feier 
der Ablösung herausgeholten reinen Unterhosen erweisen 
sich als zebraartig gestreift. Was fchadet's! Es ist ja 
Karnevalszeit; also: hinein! Incus 
* * 
* 
Eine Autofahrt durch die Dobrudscha. 
(Aus einem Feldpostbrief.) 
... Also ba hieß es vorgestern plötzlich: Aus nach 
K.! Ich hatte vielen und sehr schweren Dienst und kaum 
Zeit, meine Siebensachen einzupacken. Der Herr Leut¬ 
nant P., Wachtmeister E. und ich sollten vorauffahren, 
die andern kommen nach. Gestern um 3 Uhr nachts 
setzten wir uns, sorglich in Pelze verpackt, ins Auto und 
es ging los! Autonachtfahrt — es ist was Einziges, 
Wundervolles. Man saust in ein fabelhaftes Dunkel 
hinein, aus welchem die Scheinwerfer vor dem Wagen 
die fabelhaftesten Dinge herausreißen, die traumartig 
auftauchen und im Augenblick auch schon verschwinden 
— rechts, links — vorbei! Der Weg ist sehr schlecht; 
Risse, Löcher liegen im Lichte vor uns als schwarze 
Balken im Wege. Der Chauffeur ist ein Deibelskerl — 
wie er den schnellaufenden Wagen darüberbringt! Und 
man bangt doch wegen einer Panne in diesem unbe¬ 
kannten, öden Dunkel, über dem nur der leuchtende 
Sternenhimmel steht. Wir haben 170 Kilometer zurück¬ 
zulegen und keine Zeit zum Liegenbleiben!. Da kraucht 
was schon vom Wege — weiter — dort läuft ein Hase 
über den Weg — vorbei — tattatattatatta fagt der Motor 
aus eiserner Brust — ein kräftiges Ungeheuer trägt uns 
im Fluge durch das Dunkel. Seine Augen leuchten 
voraus, sein Nacken ist heiß und wärmt mir die Füße. 
Wir steigen Berge hinauf, aber in dem nach hinten (d. H. 
voraus) sich im Dunkel verlierenden Lichtkegel erscheint 
es immer, als führen wir hinab. Da, eine Schlucht vor 
uns, wir sausen hinein — nein, in ganz enger Kurve 
springen wir beiseite, springen auf eine Brücke, find 
darüber! Dann sind wir oben, weit rundum hinab senkt 
sich um uns das Sternendach. Und es geht immer nach 
Norden. Der Große Bär steht mit seiner Deichsel auf 
dem Horizont fast — daran sehe ich, wie weit ich doch 
von der Heimat fort bin. Nun geht's hinab, schauder¬ 
haftes Springen über Gestein, enger Hohlweg, Fels¬ 
wand vor uns, wir stürzen darauf zu — nein, geschickt 
springen wir seitwärts hinein, kommen hinaus, kommen 
auf ebene Straße. Tattatatattatattata, immer weiter! 
Eine Chimäre! Gespenstisch liegt da etwas vor uns — 
ein Strohbündel — vorbei! Was Großes taucht aus — 
ein fabelhaftes Fuhrwerk — ängstlich, eilig werden die 
Tiere beiseite gerissen — vorbei! Wieder etwas — 
tut! tut! macht unser Ungeheuer — vorn hastiges Hin- 
und Herzerren, kreuz und quer übern Weg — eine 
bulgarische Proviantkolonne (es sind immer uralte 
Bauern und Bauersfrauen, die ihre Ochsen- oder Büffel¬ 
wagen führen, treiben, in Bunten, viel roten Schals 
und Tüchern). Wir schlängeln uns mit Fluchen hindurch 
— vorbei! Tattatatattatatattata ... und immer die 
schwarzen Balken über den Weg, eine Telegraphenstange
	        
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