Volltext: 130. Heft 1914/17 (130. Heft 1914/17)

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elender Trainkutscher, und gar der Kaufmann von drüben, 
der jetzt solch stummer. Schipper ist, vorn „Eisernen" bei 
beiden natürlich keine Spur. — Mit Windeseile ver¬ 
rauschen die Tage. Fritz selber ist neugierig und in Sorge, 
ob an seinem Stück Graben zwischen den Schulterwehren 
261 und 262 in seiner Abwesenheit auch ordentlich gear¬ 
beitet worden ist. Donnernd braust der Urlauberzug in 
die riesige Bahnhofshalle. Sie sind schon alle ver¬ 
sammelt: Schultze mit dem tz, Meier, Stachowiak und 
Gnmpelberg; der einzelne verschwindet säst unter der 
Unzahl mitgebrachter Päckchen. Ein kurzer Soldaten¬ 
abschied, daun geht's munter und erholt wieder zur Front 
und in die finstere Märznacht braust hossuungssroh das 
Lied: „Gloria Victoria, in der Heimat, in der Heimat, 
da gibt's ein Wiedersehn!" Tneus. 
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Phot. H. CM, Thorn. 
Eine aufgegebene Stellung zwischen Chaulnes und Pugeanx. 
Der Schipper. 
n „Was bist du denn? Häringsbändiger?" 
„Nein, Privatdozent an der Universität in Breslau." 
„Na, Holzspalteu habt ihr da wohl nicht gehabt, du 
wirst dir gleich in die Müllschippe hacken, gib mal her, 
ich werde den Kram schmeißen, ich hatte ja an meinem 
Grünkramladen auch einen Kleinholzherkauf." 
Eine bunte Sorte, unsre Schipper. Vom Regie¬ 
rungsrat bis zum Hausknecht ist alles im bunten Reigen 
vertreten. Ein hartes Leben ist das Schipperleben. Die 
Schipperkompagnien haben es noch gut, die hinten an 
Wegen und Bahn arbeiten, Unterkunstsräume bauen, 
Holz fällen. Aber andere Kompagnien helfen der Truppe 
vorn im Ausbau der Stellungen. Da kommt ab und zu 
eine dicke Nummer herüb er geflogen und haut irgendwo 
hinein. Wenn der Feind auch nichts sehen kann, er hat 
sich doch bei Tage eingeschossen, er kennt die Stellen, 
wo vermutlich geschanzt wird, und durch Störungsfeuer 
sucht er die Arbeiten zu verhindern oder wenigstens auf¬ 
zuhalten. Und es ist schließlich doch etwas anderes in 
der fechtenden Truppe mit Gewehr und Handgranate 
bewaffnet dem Feinde gegenüberstehen, als bloß mit 
einer Schippe ausgerüstet im feindlichen Feuer zu 
buddeln. Dann find sie aber fleißig, wenn es gilt, rasch 
den deckenden Graben auszuwerfen; ist man erst bis zur 
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Brust in der Erde drin, so ist die Deckung schon sehr viel 
beffer. Bei solch unangenehmen Ausgaben liegt natürlich 
die Arbeitszeit in der Nacht. Während tagsüber die 
Stellung wie ausgestorben aussieht, beginnt in der 
Dämmerung alles lebendig zu werden. ^ Die Schipper¬ 
kompagnien kommen aus den meist weit rückwärts ge¬ 
legenen Unterkünsten angerückt. Kein Sicht darf über 
den holprigen, lehmigen, von Granattrichtern durch¬ 
wühlten Boden den Weg weifen, sogar die brennende 
Zigarre muß erlöschen. „Verflucht", schreit einer und 
ist bis an den Magen in dem Sehmwasser eines Granat¬ 
loches versunken, aber es hilft nichts: weiter! Nun mar¬ 
schieren sie an dem vom Pionieroffizier durch kleine 
Pfählchen abgesteckten, neu auszuhebenden Graben in 
4—5 Schritt Zwischenraum aus halblaute Anweisungen. 
Dann geht's an die Arbeit, hei, wie 
die Erde fliegt! Ab und zu summt ein 
unangenehmer Querschläger über die 
Köpfe und mahnt daran, rascher zu 
schausein, hinein in die schützende Mutter 
Erde. So geht es die Nacht hindurch. 
Und wenn die fahle Morgendämmerung 
anbricht, dann heißt es aufhören. Saut* 
los fammelt fich die Kolonne nach rück¬ 
wärts. Und ehe die Helligkeit herein¬ 
bricht, find die Heinzelmännchen ver¬ 
schwunden. Müde zieht die Marsch¬ 
säule der ebenso einfachen wie geliebten 
Unterkunft zu. Da gibt es noch mal 
Kaffee, um die matten Geister auf- 
zufrifchen; dann finkt jeder auf die ein¬ 
fache Pritsche, die Holzwolle dünkt ihm 
ein schwellendes Polster. Im Einschlafen 
hört er gerade noch das Summen des 
ersten seindlichen Fliegers, fern beginnt 
der gewohnte Kanonendonner zu grollen, 
den Schipper stört das nicht, er schläft 
den Schlaf des Gerechten. 
Es ist fürwahr kein leichtes Sos. 
Und manches verwöhnte Muttersöhnchen 
lernt hier den Ernst des Sebens nach jeder Richtung 
hin kennen. Aber an Ruhetagen, da kommt die gute 
Saune überall zum Durchbruch. Der pflanzt im Gärtchen 
vor dem Unterstand, jener bessert den Birkenzaun aus 
und zimmert eine köstliche Ruhebank. • Ein andrer liegt 
im Grafe und erfreut sich an einer Ode des Horaz. An 
windstiller, sonniger Stelle hat einer sich der Kleider 
entledigt und sucht und sucht in seinem Hemd 
Des Abends sitzt alles vor der Kantine herum, es gibt 
ja ausnahmsweise mal ein paar Glas des heißersehnten 
Biers,' die Harmonika, im Schipperdeutsch „Schnauzen¬ 
hobel" genannt, läßt heimatliche Weisen ertönen, bald 
fallt der Chor ein, eine wer weiß wo aufgetriebene und 
stets mitgeschleppte Violine greift die Melodie auf, ein 
jelßstgciertigtes Cello, dessen Resonanzboden aus einer 
alten Bratheringsdose besteht, grunzt willig den Kontra- 
' „Gar herrlich ist das Schipperleben, 
Bringt es auch Not mit und Gefahr." 
Unsre Heeresleitung hat diese schwere Arbeit und 
-Gefahr auch willig anerkannt. Wo Schippertruppen an 
gefährdeten Stellen längere Zeit arbeiten mußten^ da 
gibt es für die tüchtigsten Seute auch hier und da ein 
Eisernes Kreuz. Der Glückliche darf es mit Stolz tragen, 
denn er hat es ja redlich verdient, wenn er auch nur als 
Schipper dem Vaterland dienen durfte. Sch.
	        
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