Volltext: 130. Heft 1914/17 (130. Heft 1914/17)

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sechs Monaten vorbereitete Offensive, chr „ Ubermaterral- 
stoß", war ins Leere abgeprallt, und bte Soldaten 
weigerten sich, bett zurückgehenden Deutschen S" folgen, 
da sie nicht in die „Hindenbnrgfalle geraten wollten. 
In der Tat, sie hatten recht. So etwas war trt der 
Kriegsgeschichte noch nicht dagewesen, baß sich ein ge¬ 
waltiges Heer unbemerkt vom Feinbe losen konnte, ^n 
ben letzten Wochen waren brüben bei bett Deutfchen bte 
Rauchsäulen von Sprengungen aufgestiegen, war eute 
Maulwurfsarbeit wahrzunehmen gewesen. Ste werden 
ihre Geschütze umgruppieren, werden thre Graben 
festigen, meinte ber Feind. 
Dabei zerstörten die deut¬ 
schen Divisionen plan¬ 
mäßig ihr Grabensystem im 
Raume vieler Quadrat- 
meilen, bauten sie alle ihre 
Geschütze und Maschinen¬ 
gewehre ab, machten sie 
alles dem Erdboden gleich, 
was irgendwie als Deckung 
dienen konnte. „Auch ich 
habe mitgeholfen", so lefen 
wir in dem Briefe eines 
Pionieroffiziers, „die Eng¬ 
länder ins Loch fallen zu 
lassen. Ich hatte mit 
meiner Kompagnie den 
Auftrag, in unferm Divi¬ 
sionsabschnitt die Spren¬ 
gung sämtlicher Unter¬ 
stände und Batteriestel¬ 
lungen nach Räumung 
vorzunehmen. Ein schöner 
Auftrag, mal wiederetwas 
anderes. Als die Letzten 
blieben wir zurück, und so¬ 
wohl mit Liebe als auch 
mit Erfolg führten wir 300 
Sprengungen aus, so daß 
Tommy keine Unterkunfts¬ 
möglichkeit mehr hatte 
unb sich lebiglich an ber 
Gewinnung einer breiten 
Schlammfläche erfreuen 
konnte. Mit welcher Lust 
arbeiteten bet meine Pio¬ 
niere ! Sie ließen nichts 
heil. Es war prächtig, trotz größter Anstrengung, bie 
ieboch wegen hoher Anspannung zunächst wenig gespürt 
würbe Ich habe für bie Kompagnie eine ganze Anzahl 
Eiserner Kreuze 2. Klaffe bekommen, für einen Unter* 
os szier ein Eisernes Kreuz 1. Klasse. Wir kämpfen «etter! 
Wo wird jetzt der große Schlag erfolgen? Es sind Fragen, 
die uns sehr beschäftigen. Aber wir blicken fo vertrauens¬ 
voll und unerschüttert in die Zukunft; seit Mitte Sep¬ 
tember 1916 in diesem Wetterwinkel, sind wtr gestählt 
und erprobt." 0 , 
Welch herrlicher Geist spricht aus dteseu Zetleu! 
Dieser prächtige unverbrauchte Soldatengeist unsrer 
Truppen ist es gewesen, der Hindenburgs Plan zu einer 
klassischen Tat der Kriegsgeschichte aller Zeiten vollendet 
hat. Unser Heeresbericht hat es mit eigenem Bedauern 
festgestellt, daß die militärische Notwendigkeit es er¬ 
heischte, in dem geräumten Gelände alles zu vernichten, 
was dem nachfolgenden Feinde irgendwie nützen konnte. 
Das blühende Gefilde der Picardie ist zwischen Ärras 
und Vailly eine Wüste geworden, auf der nichts zu sehen 
ist als ungeheure Schlammfischen und ein trostloser, 
von Eisen und Stahl durchpflügter Boden. Ein breiter 
Wüsten- und Sumpfgürtel zieht sich 135 Kilometer breit 
bahin. Nicht einmal bie Reste einstiger Dörfer finb mehr 
zu entbecken. Wenn bie Söhne biefeS Laubes, bie jetzt 
im Heere irgenbwo in ben Vogesen ober gar in Saloniki 
für Frankreich kämpfen, nach bem Kriege in ihre Heimat 
zurückkehren, so werben sie ihr Dorf unb ihren Wald 
nicht mehr finden. Sie werden herumirren und die 
Fäuste ballen gegen den 
falschen Freund, der ihnen 
das angetan, gegen Eng¬ 
land. „Man kann es be¬ 
greifen" , schrieb ein Schweizer 
Militärkritiker, „welche Ge¬ 
fühle die Franzosen durch- 
zittern mögen beim An¬ 
blick dieser früher fo blühen¬ 
den Landschaften, in denen 
sich —England und Deutsch¬ 
land ihre Schlachten lie¬ 
fern." Derselbe Schweizer 
Schriftsteller erzählte, wie 
kürzlich Schweizer Offi¬ 
ziere von der französischen 
Front zurückkehrten und er¬ 
schüttert waren über die 
Zerstörungen, die der Krieg 
angerichtet hatte. „Dann 
müßte ihre Erschütterung 
noch tiefer sein, wenn ihr 
Auge diese öde Wüste hätte 
erblicken können, die die 
harte Notwendigkeit des 
Krieges zwischen die beiden 
Linien gelegt hat: die Acker 
umgewühlt, die fruchtbare 
Erdkruste nach unten ge¬ 
kehrt , das Gelände mit 
Eisen besät, so daß die Be¬ 
arbeitung in der Zukunft 
unmöglich wird, da der 
Pflug durch das Stoßen 
auf das Eisen unbrauchbar 
’4iuut. rnoi. öaocfei, Berti« wird." Der Berichterstatter 
@ättIengo«g der zerstörten Kirche in Champien bei R«ye. ^et „Daily News", Ton- 
linson, aber hörte von einem englischen Stabsoffizier: 
„Schlimmer könnte es unmöglich fein. Ich kenne kein 
Mittel, andern das Gefühl deutlich zu machen, welches 
das Land bei dem Augenzeugen hervorruft. Man 
hat ben Einbruck nicht nur des Enbes ber Welt, 
sonbern ihrer grauenhaften Auslösung." 
Wir haben absichtlich biese fremden Zeugen sprechen 
lassen. Sie können nicht auftreten gegen die „Barbaren", 
die das verschuldet. Denn das Eisen, das in bett Boden 
eingepflügt ist, ist englisches unb französisches Eisen. Die 
Bitber bei Zerstörung haben Engländer und Franzosen 
verursacht. Da war nichts mehr zu retten. Sie erhoben 
ein Geschrei über die alte zerfallene Burg Coucy le 
Chateau, deren bombensichere Erdgewölbe wir sprengten. 
Sie sollten sich am.Rhein bie mieten stolzen beutfchen 
Burgen ansehen, vor allem bas Schloß zu Heibelberg, 
die sie einst aus Zerstörungswut, nicht aber aus 
Kriegsnotwendigkeit zu Ruinen schossen. Mitten in ihre
	        
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