Volltext: 120. Heft 1914/17 (120. Heft 1914/17)

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hinweg, gleichfalls nach vorn, um über der feindlichen 
Batterie zu kreisen und sie, wenn möglich, zu veranlassen, 
das Feuer einzustellen. Plötzlich sehe ich, wie zwei 
feindliche Flugzeuge sich unserm Eindecker entgegen¬ 
werfen. Es beginnt eine Jagd von unten nach oben, 
bei der die schwerfälligeren Deutschen ganz offenbar 
im Nachteil bleiben. Schließlich versinken alle drei 
Apparate in einer niederen Wolkenschicht, die sich beim 
Höherkommen der Sonne zusammengezogen hat; nur 
das Surren der Propeller entschwindet srontwärts. 
Meine Aufmerksamkeit, die durch den Lustkampf 
abgezogen wurde, wendet fich wieder der Batterie zu. 
Sie hat aufgehört zu feuern, weil ein zweiter Schuß 
unsrer Artillerie, der schon vorzüglich zum Ziel lag, ihr 
zum Bewußtsein brachte, daß sie entdeckt sei. Eben gebe 
ich unsrer Batterie weitere Korrekturen, da höre ich, wie 
sich über mir in der Wolkendecke schnell ein Aeroplan 
nähert. Meine Gedanken sind auf den nächsten Schuß 
gerichtet, meine Angen auf die ferne Batterie, nur im 
Unterbewußtsein sozusagen vermute ich, daß uns er Flieger 
zurückkehrt. In diesem Augenblick rattert vor mir in 
der Luft ein Maschinengewehr. Ich blicke aus. Beim 
Teufel, es ist einer ber feindlichen Doppeldecker, der 
wenige hunbert Meter von mir entfernt auf mich feuert. 
Unb schon raffeln unten einige Abwehrgeschütze. Die 
Sprengwölkchen ihrer Schrapnells liegen wegen ber 
großen Nähe des Fliegers bem Ballon so nahe, baß mir 
bereits bie Sprengstücke snrrenb um bie Ohren fliegen. 
Sie erkennen brunten denn auch schnell die Gefahr unb 
hören auf zu feuern. Der Ballon wirb eingeholt, ich fühle 
das Sittern ber Maschine im Kabel, der Steuerfchwanz 
steigt aufwärts, der Luftfack schlägt knatternb Falten. 
Aber bas alles bringt wie aus weiter Ferne in meine 
Sinne, mein Auge ist nur aus den Flieger gerichtet, 
ber sich nun in einer engen Kurve über ben Ballon 
erhebt. Ich habe keine Zeit mehr, mein Gewehr zu 
gebrauchen, jebert Augenblick kann ber Ballon in Brand 
geschossen werben, unb es bauert wohl zehn Minuten, 
ehe bie Lokomobilwinde mich niedergeholt hat. Ich 
schleubere Karten unb Silber hinaus, ergreife die Fall¬ 
schirmseile, sitze im nächsten Augenblick auf dem Gonbel- 
ranb, noch immer 1000 Meter über bem Erbboben. 
Konnnanbos schallen empor, tausenb Gesichter blicken 
nach oben, ich sehe unten von allen Seiten bunkle Pünkt¬ 
chen herzueilen, Menschen, bie helfen ober schauen wollen. 
Es knattert abermals über mir, ganz bicht. Soll ich 
abspringen? Wirb ber Schirm sich öffnen, ober werbe 
ich in einigen Sekunben als unkenntliche Masse unten 
liegen. Soll ich fitzen bleiben? Wirb ber Ballon^nicht 
in Sekunden ein einziges Feuermeer fein, im Mittel¬ 
punkt ich und bie Gonbel langsam verkohlenb? In biefetn 
Augenblick schießt etwas Glimmenbes an mir vorbei. 
Ich schließe bie Angen, springe. — Ein Luftzug nimmt 
mir ben Atem, ich falle ins Bobenlose, falle Stunben 
tagelang. Ich höre nichts, sehe nichts. Plötzlich 
ein Ruck, ein knisterndes Rauschen. Ich öffne bie Augen, 
sehe auf. Über mir bie Weiße, gespannte Hohlkugelkappe. 
Ah, ber Schirm hat sich geöffnet, ich schwebe, ich bin 
gerettet, langsam gleite ich nieder. Ich höre Schreien 
unb Rufen, die Abwehrgeschütze raffeln Schnellfeuer. 
Über mir rauscht es plötzlich ... es kommt pfeifend und 
knisternd näher, eine Hitzewelle strömt auf mich ein ... 
unb nun rast, kaum 50 Meter von mir entfernt, bie 
brennenbe Hülle des Ballons mit Kabel unb Korb 
funkenfprühenb vorüber. Krachenb schlägt sie zu Bobeu. 
Ich fühle, wie ich zwischen bünnen Birken niebergleite, 
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Wie hunbert Hänbe nach mir greifen. Dicht bei mir 
feuert eine Abwehrbatterie, aber der Flieger ist in ben 
Wolken verschwunben. d. 
* * * 
Der Kaiser im Felde. 
Bon Hanptmann Walter Bloem. 
Das beutfche Volk erfährt nicht gar so viel vom 
Leben unb Wirken feines Kaisers im Weltkriege. Mancher¬ 
lei Erwägungen militärischer wie politischer Natur be¬ 
dingen dies Zurücktreten bes obersten Kriegsherrn m 
ber Öffentlichkeit. Begreiflicherweise hat bie berech¬ 
tigte Wißbegier wie bie sensationslüsterne Neugier um 
bie zweckvolle Dunkelheit, welche bie Person des Kaisers 
Währenb ber langen Kriegsjahre umhüllen muß, ein 
ganzes Netz von Legenden gesponnen. Es darf zur Be¬ 
ruhigung treusorgender, zur Dämpfung überängstlicher 
Gemüter ausgesprochen werden: der Kaiser leidet unter 
dem Kriege so tief wie fein ganzes Volk aber zu 
Boden gedrückt hat ihn der Krieg ebensowenig wie fein 
Deutschland. Er ist so aufrecht, unbeugsam unb mann- 
haft-heiter wie fein Volk. Sein Charakter unb fein 
Wesen haben sich in diesen furchtbaren Erschütterungen 
sieghast bewährt. Mehr noch: es ist ein Glanz um ihn, 
den erst diefe schwere Zeit gewirkt hat. Wer's nicht 
alauben will, weil man ihm anberes vorgeschwatzt, ber 
lese seinen jüngsten Ausruf, ber in jeder Zeile ben Stempel 
seines Geistes trägt. 
Wir Solbaten, wir wiffen's. Denn wir sehen ihn. 
Es wirb nicht allzuviel beutfche Krieger in ber Front 
geben, bie nicht irgenbtoann einmal währenb bes Krieges 
bem Kaiser ins Auge geschaut hätten. Und gar mancher 
bewahrt als köstlichste Kriegserinnerung das Gedenken 
an ein paar Minuten lebhaften Geplaubers, bie ihm 
einen Blick burch bas Kaiserauge ins Kaiserherz vergönnt 
haben. Der unb jener trägt sein Eisern Kreuz mit bem 
ganz besonberen Stolz: Ich hab's aus meines Kaisers 
Haub. Und andere wieder hüten ein welkes Lorbeer¬ 
zweiglein, bas ihnen ber Kaiser im Lazarett aufs Kranken¬ 
bett legte. Wer solche Augenblicke mit erlebt hat, ber 
weiß, was wir Solbaten an unsrem Kaiser haben. 
Die Stunben, bie ber oberste Kriegsherr inmitten 
feiner Solbaten verweilen darf, find feine liebsten unb 
glücklichsten. Das spricht er gern unb strahlenb aus, und 
wer ihn in solchen Stunden beobachten konnte, weiß, daß 
das kein leeres Wort ist. Diese Freuden sind im rast¬ 
losen Getriebe seines kriegerischen Arbeitstages verhält¬ 
nismäßig feiten. Nicht allzu häufig finb auch bie Stunben, 
in benen er bie Kämpfe ber Seinen von hoher Warte 
mit eigenen Augen überschauen bars. Die moberne 
Schlacht verbreitet weit im Umkreis eine Zone bes 
Entsetzens um sich her, bie ein unersetzliches Leben noch 
weit schrecklicher gefährben würbe als bie historischen 
„Granaten von Gravelotte". So ist es begreiflich, baß 
des Kaisers ganze Umgebung jedesmal dankbar aufatmet, 
wenn er nach solchem Frontbefuch wieber aus ber meilen-- 
breiten Gefahrenzone wohlbehalten heimkehrt. 
Der Platz bes mobernen Schlachtenlenkers, und 
nun gar bes obersten Kriegsherrn, ist nicht mehr inmitten 
der kämpfenden Scharen. Der Große Kurfürst ritt an 
der Spitze feiner Dragoner die Attacken mit, ja, noch 
Friedrich Wilhelm bem Dritten mußte fein Flügel- 
abjutant bei Bar-fur-Aube in bie Zügel fallen, sonst 
wäre er in bie französischen Bajonette hineingeritten. 
Unb wer Wilhelms bes Zweiten Temperament kennt, 
wirb verstehen, wie bitter es ihm angekommen fein mag»
	        
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