Volltext: 117. Heft 1914/17 (117. Heft 1914/17)

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werden angewendet, um ihr Wirken einzuschränken. Trotz¬ 
dem bleibt der Dienst hinter der Front dauernd bedroht 
und trotzdem vollzieht sich dieser Dienst in bewunderns¬ 
werter Planmäßigkeit zum Ruhme des Vaterlandes. 
* * 
* 
Blindgänger. 
Von Hans Schipper. 
Bei ihren Berichten hört man unsre Feldgrauen oft 
von Ausbläsern und Blindgängern reden. Darunter 
verstehen sie meist feindliche Artilleriegeschosse, die nicht 
richtig geplatzt sind. 
Während nun der Ausbläser ein Artilleriegeschoß ist, 
das infolge schlechter Bauart, manchmal, allerdings auch 
infolge der Konstruktion, nicht ganz zerspringt, sondern 
nur seinen Inhalt aus der Geschoßhülle hinausschleudert, 
sind Blind¬ 
gänger solche 
Geschosse, die 
trotz des Auf¬ 
schlagens 
überhaupt 
nicht geplatzt 
sind,alsVoll- 
geschoß auf 
der Erde 
liegenbleiben, 
oder sich in 
Bäume,Häu¬ 
ser sowie in 
den Boden 
einwühlen. 
Es ist na¬ 
türlich, daß 
beide Arten 
von Geschos¬ 
sen nicht sol¬ 
che Wirkung 
haben wie rich¬ 
tig platzende. 
Die Ausbläser haben wohl eine größere Tiefenwirkung 
ihres Inhalts, was 'man besonders auszunutzen sucht, 
wenn man absichtlich derartige Geschosse verfeuert. Doch 
kommt die Geschoßwandung dabei nicht zum Platzen, 
sie kann also höchstens als ein Ganzes wirken, während 
sie andernfalls in unzählige winzige Teilchen zersprungen 
wäre, die ihrerseits in weitem Umkreise Wunden und 
Tod gesät hätten. Die Gefährlichkeit der Blindgänger, 
denen wir uns nachfolgend besonders zuwenden wollen, 
geht zur Zeit ihres Aufschlagens schlafen, wenn man sie 
richtig weiter behandelt. 
Der Blindgänger bleibt als vollkommenes Geschoß 
liegen und hat äußerlich dieselbe Form beibehalten, in 
der er seinerzeit von der feindlichen Batterie in das Ge¬ 
schütz geladen wurde und seinen kilometerweiten Luft¬ 
weg nach dem Knall des Abschusses antrat. Pfeifend 
oder rauschend, je nachdem, ob es leichteres oder schwe¬ 
reres Kaliber war, bahnte es sich seinen Weg. Vielleicht 
brannte in seinem Innern der Zeitzünder, der ihn später 
zum Platzen bringen sollte, gar nicht cm; vielleicht er¬ 
losch er, ohne das Zerspringen verursacht zu haben. So 
schlug das Geschoß also auf, aber es zersprang nicht. 
Möglicherweise war der Aufschlagzünder auch schlecht 
gearbeitet. Schaden hat das Geschoß verhältnismäßig 
wenig anrichten können. Ist doch der Inhalt noch bei¬ 
sammen geblieben und in der Geschoßhülle geborgen. 
Es ist nun noch nötig, daß man den Blindgänger unter 
sachverständiger Leitung unschädlich macht. Bei jeder 
geringen Erschütterung durch Berühren sowie durch den 
Einschlag einer Granate, die in der Nähe zerspringt, kann 
das schlummernde Geschoß erwachen. Sein Lebensfaden 
glimmt wieder auf und entzündet die Sprengpulver im 
Innern. Mit gewaltigem Krachen platzt dann der Blind¬ 
gänger, wie jedes andere Artilleriegeschoß, das der Feind 
frisch herübersendet. 
Aus dem Erwähnten ist verständlich, daß ein Blind¬ 
gänger, wenn er auch nicht ganz so gefährlich zu sein 
scheint wie ein zerplatzendes Geschoß, durchaus nicht un¬ 
gefährlich ist. Seine Unschädlichmachung geschieht zu¬ 
meist durch den Feuerwerker der Artilleriebrigade in 
jeder Division. Bisweilen werden dabei mehrere Blind¬ 
gänger zusammen eingegraben und an einer Stelle, die 
abseits gele¬ 
gen ist und in 
weitem Um¬ 
fang abge¬ 
sperrt wird, 
zusammen zur 
Entzündung 
gebracht.Dies 
geschaht, in¬ 
dem man an 
dem Blind¬ 
gänger meh¬ 
rere Spreng¬ 
kapseln an¬ 
bringt. Eine 
lange Zünd¬ 
schnur sorgt 
dafür, daß die 
Leute sich noch 
rechtzeitig aus 
dem Gefahr¬ 
bereich ent¬ 
fernen kön¬ 
nen. Ist die 
Schnur abgebrannt, so werden dadurch zunächst die 
Sprengkapseln entzündet, deren Explosion auch den 
Blindgänger zum Zerplatzen bringt. 
Unsre Feldgrauen werden von ihren Vorgesetzten 
fortwährend darüber belehrt, daß die Blindgänger durch¬ 
aus kein harmloses Spielzeug sind. Um jeden Blind¬ 
gänger soll möglichst ein Holzgitterchen angelegt werden, 
mit entsprechender Tafel, die auf die Gefahr aufmerksam 
macht, bis der Feuerwerker den Findling „springen" läßt. 
Man kann eine Betrachtung über Blindgänger, so 
kurz sie auch sein mag, nicht schließen, ohne an einige der 
vielen Blindgängeranekdoten zu denken. Soll es bei¬ 
spielsweise vorgekommen sein, daß der biedere Musketier, 
der den Auftrag bekam, um den Blindgänger ein Ge¬ 
länder zu bauen, in Ermangelung eines Hammers oder 
eines Pflockes den Blindgänger selbst nahm und mit 
diesem die Pfosten einrammte. 
Kein Feldgrauer konnte sich in Eh— eines Lächelns 
erwehren, wenn Kriegsberichterstatter" oder Uneinge¬ 
weihte eine Zeitlang einen großen Bogen machten vor 
einem Geländer mit einer Blindgängertafel. Die Ge¬ 
fahr, die von dieser Stelle her drohte, war durchaus nicht 
übermäßig groß. An die Tafel hatte ein witziger Feld¬ 
grauer nämlich geschrieben: Achtung! Junger Blind¬ 
gänger! und am Boden lag — eine französische Jnfan- 
teriepatrone. 
Phot. A. Lauterbach, Stuttgart. 
Überfahrt der Munrtionswagen auf der Donau.
	        
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