Volltext: 11. Heft 1914 (11. Heft 1914)

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nicht vorstellen darf, daß die deutsche Stellung genau 
dem Flußlauf folgte. Viele Teile dieser Stellung waren 
weiter vorgeschoben, wenn es durch das Verhalten des 
Gegners geboten war. Einer der Hauptstützpunkte der 
Verbündeten war Reims, und es entsprach einer Forde¬ 
rung der Kriegslage, diesen vor der deutschen Front 
liegenden Punkt nicht unbeschäftigt zu lassen. Als in 
den ersten Tagen des September die deutschen Armeen 
des rechten Flügels in raschem Ansturm zwischen Paris 
und Reims gegen die Marne vorstießen, blieb Reims 
zunächst außerhalb des Bereichs der deutschen Ope¬ 
rationen. Es hieß, die Stadt sei von den Franzosen 
geräumt worden. Die 3. Armee (Generaloberst von 
Hausen) stand der durch einen Fortgürtel geschützten 
alten französischen Krönungsstadt am nächsten. So ge¬ 
schah es, daß Reims eines Tages das Opfer eines kecken 
Reiterstückchens weniger sächsischer Husaren wurde. 
Da noch 
am 3. Sep¬ 
tember nichts 
davon zu er¬ 
fahren war, 
ob die Aussa¬ 
ge der Landes¬ 
einwohner 
von der Räu¬ 
mung dieser 
Stadt durch 
die Franzo¬ 
sen richtig sei, 
beschloß man, 
diesen Sach¬ 
verhalt durch 
eine Offizier- 
patrouille fest¬ 
stellen zu las¬ 
sen. Der Ritt¬ 
meister eines 
sächsischen Hu¬ 
sarenregi¬ 
ments, von 
Humbracht, 
erhielt am 4V 
den Auftrag dazu. Seiner Aufforderung zur freiwilligen 
Teilnahme an dem Ritt folgten sofort mehrere Offiziere 
und zwanzig Mann, von denen er aber nur drei Offiziere 
(Oberleutnant von Steinaecker, Leutnant Martini und 
Leutnant von Waldow), einen Fähnrich, einen Unter¬ 
offizier, einen Trompeter und sechs Husaren auswählte. 
Auf versteckten Waldwegen gelangte die Patrouille in 
scharfer Gangart bis in die Nähe des Forts Vitry les 
Reims. Als die Reiter in die Feuerzone des Forts und 
in offenes Gelände kamen, galoppierten sie in einer Linie 
mit weiten Zwischenräumen vor, überzeugten sich aber 
bald, daß das Fort in der Tat unbesetzt war. Sie fanden 
unterwegs einen bombensicheren Unterstand und mehrere 
frisch hergestellte, aber verlassene Schützengräben. Nach 
zurückgesandter Meldung setzte die Patrouille den Weg 
fort und kam gegen 9 Uhr abends ungehindert an die 
Stadtgrenze von Reims. Ohne Besinnen ritten sie in 
die Stadt ein, deren Straßen von Neugierigen gefüllt 
waren, und begaben sich nach dem Rathause, wo der 
Bürgermeister die Ratsherren versammelt hatte und den 
ungebetenen Gästen entgegentrat. Es wurde ihm kurzweg 
erklärt, daß die Stadt in deutschem Besitz sei und er per¬ 
sönlich als Geisel für das Wohlverhalten der Bürger hafte. 
Während Leutnant Martini zurückgesandt wurde, um der 
Division und dem Generalkommando die Besitznahme der 
Stadt zu melden, und der Fähnrich für die Unterbringung 
der Mannschaften und Pferde sorgte, blieben Rittmeister 
von Humbracht, Leutnant von Waldow und Unterof¬ 
fizier Arnhold die Nacht über mit dem Bürgermeister 
zusammen im Sitzungssaale des Rathauses. Dort wurden 
Matratzen bereitgelegt, auf denen die Herren ruhen konn¬ 
ten, während einer von ihnen Wache hielt. Am 5. Septem¬ 
ber früh, verließ die Patrouille die Stadt, aber nur um 
am Nachmittag desselben Tages an der Spitze der neu 
einrückenden sächsischen Brigade von Suckow wieder zu 
erscheinen. 
Am folgenden Tage begannen bekanntlich die Kämpfe 
an der Marne, die in ihren weiteren Folgen eine ver¬ 
änderte Kriegslage herbeiführten. Im Zusammenhang 
damit stand es, daß auch Reims von den deutschen 
Truppen wie¬ 
der geräumt 
wurde. Die 
Franzosen 
rückten nun 
wieder in die 
Stadt ein und 
bereiteten sich 
diesmal auf 
eine hart¬ 
näckige Ver¬ 
teidigung des 
Platzes vor. 
Bis Mitte 
September 
hielten sie noch 
die Hoffnung 
fest, daß es 
ihnen durch 
eine kräftige 
Offensive 
glücken würde, 
die deutschen 
Stellungen 
aufdieserLinie 
zu durch¬ 
brechen. Mit jedem neuen Tage aber stellte es sich deut¬ 
licher heraus, daß die geplante Offensive nicht durchzu¬ 
führen war, im Gegenteil die Deutfchen sich anschickten, 
ihre Stellungen in energischer Gegenoffensive wieder 
vorzuschieben. Noch stand der linke Flügel der zwischen 
Paris und Verdun vorgedrungenen deutschen Heeres¬ 
teile an der Marne; nur der rechte Flügel war an die 
Aisne zurückgezogen und deshalb in der Mitte Reims 
freigegeben. Wie stark die deutsche Stellung an der 
Marne — westlich von Chalons — in diesen Tagen noch 
war, wird uns wiederum durch einen Berichterstatter 
einer neutralen Macht bezeugt. Er erzählt, die Schanzen 
seien meterstark, in Zwischenräumen von zwanzig Metern 
durch Stahlplatten geschützt und durch mit Erde bedeckte 
Baumstämme befestigt. Die Mafchinengewehre hätten 
unsichtbare Stellungen inne, die schwere Artillerie schieße 
hinter Gräben. Aus dieser Schilderung geht hervor, 
daß die deutschen Truppen, wenn sie nach dem 15. Sep¬ 
tember hier noch so stark befestigte Stellungen inne hatten, 
schwerlich in den unmittelbar vorangegangenen Kämpfen 
entscheidend geschlagen sein konnten, wie die französischen 
Berichte der Welt glauben machen wollten. Daß zunächst 
nicht daran gedacht wurde, den bisherigen Plan aufzu- 
Phot. A. Groß, Berlin. 
Generaloberst von Silit cs mit seinem Stabe.
	        
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