Volltext: Deutsche Naturwissenschaft, Technik und Erfindung im Weltkriege

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II. Kraemer 
Welt ein schöneres Beispiel gegeben. Wir wollen hier nicht etwa die Leistungen 
der Fabrikarbeiter gegen die der Landarbeiter abwägen. Der Patriotismus beider 
ist gleichhoch, und ihre Leistungen sind gleichwichtig für die nationale Verteidigung. 
Und dennoch kann man sagen, daß dieser gigantische Krieg in erster Linie von den 
Bauern ausgefochten wird, ja geradezu der Krieg der Bauern ist. Ohne die unerhörten 
Anstrengungen unserer Industrie oder die gewaltige unermüdliche Arbeit des 
Proletariates in den Werkstätten herabzusetzen, müssen wir doch bekennen, daß 
auf den Leuten, die, noch nicht von den Polypenarmen der großen Städte erfaßt, 
auf dem Lande verblieben sind, die Hauptlast des Krieges ruht. So wie die Erde 
Frankreichs ihre Fruchtbarkeit den Bauern verdankt, die sie mit ihrem Schweiß 
gedüngt haben, so wird sie ihnen auch die Freiheit danken, für die sie heute ihr 
Blut vergießen. Und hinter der Front sind sie es wieder, die die schwerste Arbeit 
leisten. Während Vater, Bruder und Sohn dem Feinde gegenüberstehen, kämpfen 
ihre Familien, wenn auch mit friedlichen Waffen, auf ihre Art fürs Vaterland. 
Ungeheuren Dank verdienen sie. Nach so viel durchgekosteten Leiden, nach so 
viel erlittener Not darf sich keine Regierung, gleichgültig und blind gegenüber den 
großen Diensten der Landwirtschaft, ihren gerechten Forderungen verschließen. 
Von jetzt ab darf der Ackerbetrieb nicht mehr als Wirtschaftszweig an zweiter 
Stelle stehen. Die Bauernschaft ist im Laufe dieses Krieges unsere wichtigste 
Stütze geworden, und nur ihrer Unterstützung durch Menschen und Erzeugnisse 
haben wir es zu danken, wenn wir die Zähigkeit unseres Widerstandes und die 
Wucht unseres Angriffs aufs höchste steigern konnten. Es ist die große Lehre 
dieses Krieges: das werden die stärksten Nationen sein, deren Landwirt 
schaft am meisten Widerstandskraft besitzt, und deren Ertragsfähigkeit die 
reichste ist,“' 
Wie liegen nun die Dinge bei uns? ,,Ohne einen Schuß“, hat unser großer 
Moltke geäußert, „ist Deutschland im Kriege verloren, wenn es seine Landwirt 
schaft eingebüßt hat.“ Nun, wir haben sie nicht eingebüßt. Dank einer segens 
reichen Fürsorge, die nicht immer das volle Verständnis in weiten Kreisen unseres 
Volkes gefunden, hat sich die Landwirtschaft stets blühender zu entwickeln ver 
mocht, und sie wird den Plan der Aushungerung von seiten Englands sicher ver 
eiteln. Noch genießt ja Deutschland den Segen der ländlichen Einwanderung in 
die Städte, noch erfreut es sich der Volkskraft, die hierdurch eine entscheidende 
Stärkung erfuhr. (Bild 1.) 
Um aber auch hier, nach Hansen, ein Bild des geschichtlichen Werdegangs 
zu gewinnen: Bei den deutschen Reichsstädten des Mittelalters können wir ähnliche 
Vorgänge wie bei den italienischen Handelsrepübliken wahrnehmen. Sobald sich 
die Städte entwickeln, beginnt auch ihr Kampf mit dem Adel. Bei uns aber ist- 
dieser erfolgreicher geblieben, und so wurde die Landwirtschaft am Aufschwung 
gehindert, der Zuzug nach den Städten erschwert, und einer kurzen Blütezeit folgte 
bald der Verfall. Der dreißigjährige entsetzliche Krieg kam mit seinen furchtbaren 
Wirkungen hinzu, und die Landwirtschaft brauchte etwa ein Jahrhundert, um 
sich allmählich wieder zu erholen. Dann aber kommt die erste und ursprünglichste 
Bevölkerungsstufe wieder zu besseren Daseinsbedingungen. Sie gibt den Überschuß, 
ihrer Kräfte an die städtischen Gemeinwesen ab, und so erlebten die deutschen
	        
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