Die Tiermedizin
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ausgeschlossen und die nur noch zu 8 Prozent Leichterkrankten binnen kurzem
geheilt worden sein.
Ein geradezu neues Kapitel in der Veterinärpathologie bilden die bei Tieren
bisher so gut wie unbekannt gewesenen Kampigasvergiftungen. Wohl wird
dem Pferde eine besondere Widerstandsfähigkeit gegen die Kampfgase zuge
schrieben; indes mit Unrecht. Sie ist nur eine scheinbare, bedingt durch die größere
Entfernung des Kopfes vom Boden im Vergleich zu kleineren Tieren und zu dem
im Schützengraben stehenden Menschen, bedingt vielleicht auch durch die aus
schließliche Nasenatmung des Pferdes und den verhältnismäßig langen engen Weg
der Atemluft zwischen Nasenmuscheln und Scheidewand, auf welchem die Wirkung
der Gase wohl schon etwas abgeschwächt wird. Die feldmäßigen Konzentrationen
der Kampfgase haben diese treuesten Gefährten der in vorderster Linie kämpfenden
Mannschaften erfahrungsgemäß schon schweren, oft genug tödlichen Erkrankungen
ausgesetzt. Die Wirkung der eigentlichen Kampfgase, der Chlor-, Phosgen- und
nitrosen Gase, an sich je nach ihrer Zusammensetzung etwas verschieden, äußert
sich neben einer Reizung der betretenen und durchstrichenen Schleimhautzüge
als eine Schädigung des Lungengewebes, und das zwar gleichviel, ob sie in geringer
Verdünnung kürzere oder in größerer Verdünnung längere Zeit eingeatmet werden.
Als hochprozentiges Gas können sie recht wohl den sofortigen Erstickungstod
herbeiführen, in minderer Konzentration machen sie je nach deren Grad früher
oder später durch eine wohl chemische Beeinflussung des Epithels die den eigent
lichen Gasaustausch vermittelnde Lungeiioberfläche durchlässig für das Blut
plasma und veranlassen sie ein m. o. w. hochgradiges Lungenödem mit seinen
üblen Folgen, unter welchen sich als unmittelbare Bronchitis und Bronchopneumonie
und als mittelbare durch Erhöhung der Viskosität des Blutes und Verminderung
des GaswechseJs in der Lunge Herzschwäche, selbst Herzlähmung einstellen. Solche
Pferde sind sobald als möglich in ruhigem Gange oder auf Wagen ohne jeg
liche Anstrengung aus der Gefahrzone zu verbringen und in ihrem Sauerstoff
bedarf durch den Sauerstoffapparat vor den Folgen der Kohlensäureüberladung
des Blutes zu bewahren. Auch ein Aderlaß behufs Entlastung des Herzens mit etwa
nachfolgenden Infusionen mäßiger Mengen physiologischer ' (0,75 prozentiger)
Kochsalzlösung, welcher angemessene Gaben einer 1 bis 2 prozentigen Kalzium-
ehloratlösung zugesetzt sind, und die schließlich^ Verabreichung von Herzstärkungs
mitteln zur Bekämpfung der noch lange anhaltenden Herzschwäche erweisen sich
angezeigt. Anderweitige Gase, wie Blausäure, töten bei entsprechender Konzen
tration durch Lähmung des Atemzentrums und Atemstillstand; die Folgen ihrer
Einwirkung sind bei minder schwerer Erkrankung (Bewußtlosigkeit ohne Atem-
Stillstand) durch Bindung der Zyan Wasserstoff säure an Schwefel mittelst schnell
verabfolgter Infusion einer 10 prozentigen Lösung von unterschwefligsaurem
Natrium günstig zu beeinflussen. Sprenggase, welche durch Explosion von Brisanz
geschossen in enggeschlossenen Stallungen und durch Entwickelung von Kohle-
monoxydgas gefährlich werden, veranlassen ebenfalls durch Lähmung des Atem
zentrums den Tod; ihre Folgen sind, falls ein sofortiger Atemstillstand nicht eintritt,
durch Einatmung von Sauerstoff mittelst des Sauerstoffapparates zu bekämpfen.
Gelegenheit zu weiteren schweren Gasvergiftungen gibt die durch feindliche Ge