Volltext: Deutsche Naturwissenschaft, Technik und Erfindung im Weltkriege

Psychiatrie und Nervenkrankheiten 
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chirurgische, es erscheint jedoch angebracht, hier vom neurologischen Standpunkt 
wenigstens einige Bemerkungen darüber zu machen. 
Ist der Nerv glatt durchschlagen, und haben sich seine beiden Enden zurück 
gezogen, so kann man versuchen, sie nach Zusammenführung einfach durch Naht 
der Nervenscheiden zu vereinigen. Unter der Voraussetzung, daß tatsächlich eine 
einfache Durchtrennung vorliegt, ist hierbei ohne weiteres ein Erfolg möglich. 
In vielen Fällen ist jedoch der Nerv nicht nur einfach glatt durchtrennt, sondern 
bei der Verwundung gleichzeitig gequetscht, sodaß sich an den Enden zerstörtes 
Nervengewebe befindet. Vereinigt man unter solchen Umständen die Nerven direkt 
oder mit geringer Anfrischung der Enden, so wird dabei das funktionelle Resultat 
zweifelhaft sein. Reseziert man jedoch von dem gequetschten und durchrissenen 
Nerven einen Teil an den Enden, so wird die Vereinigung schwieriger. Man hat daher 
versucht, in solchen Fällen die Vereinigung der einander genäherten Enden dadurch 
zu begünstigen, daß man die Nervenendigungen in eine Art Röhre von organischem 
Gewebe, besonders unter Verwendung eines Arterienrohres gelegt hat, wie dies von 
Edinger vorgeschlagen wurde. Eine Kritik der Resultate mit diesem Verfahren 
gehört nicht hierher. Es soll hier nur gezeigt werden, wie die praktische Medizin 
sich mit technischen Hilfsmethoden bemüht, die Nervenfunktion nach solchen 
Verletzungen wieder herzustellen. 
Neben diesen operativen -Schwierigkeiten bei diagnostisch vollkommen klaren 
Fällen bestehen jedoch nicht selten Zweifel über die Deutung der Symptome. 
Vielfach läßt sich ein so klarer Zusammenhang zwischen Symptomen und Ort 
der Verletzung nicht finden, sondern es bestehen Erscheinungen, die sich zunächst 
von der getroffenen Stelle nicht ableiten lassen. Hierbei trifft man vor allem auf 
5 Gruppen von Störungen, die ein durch organische Verletzung eines Nerven be 
dingtes Krankheitsbild erheblich verändern und Fehldiagnosen veranlassen können, 
nämlich: 1. zeigt öfter die Muskulatur von Extremitäten, die an einer Stelle getroffen 
sind, infolge der Nichtbenutzung wegen langdauernder Verbände und Ruhestellung 
oder Nichtgebrauch infolge von Schmerzen ausgedehnte Atrophie, die man als 
Inaktivitätsatrophie bezeichnet, 2. zeigen sich sehr häufig neben den Störungen, 
die sich von der getroffenen Stelle ableiten lassen, sogenannte funktionell 
nervöse Störungen der Empfindung und Bewegung, die den Kern von organischer 
Krankheit umgeben und sich nicht als direkte mechanische Folgen der Verletzung 
erklären lassen, 3. bilden sich nicht selten auch nach scheinbar geringfügigen 
Verletzungen, die einen Nervenzweig treffen, unter bestimmten Umständen Ent 
zündungserscheinungen in den Nervengebieten aus, die indirekt mit den ge 
troffenen Nerven Zusammenhängen. Geht diese Entzündung in Nervengebiete, 
die mit dem ursprünglich getroffenen Nerven nichts mehr zu tun haben, über, 
so entstehen Krankheitsbilder, die auch einem geübten Diagnostiker besonders 
im Hinblick auf die vorgenannte zweite Gruppe Schwierigkeiten bereiten können, 
und deren richtige Erkennung von größter Bedeutung für die Behandlung ist. 
Wird nämlich eine solche sekundäre neuritische Störung nicht erkannt, so kann 
es entweder bei unzweckmäßiger Indikation zu einer Nervenoperation kommen, 
oder das Leiden wird infolge der falschen Auffassung als einer funktionell-nervösen 
Störung in diesem Sinne behandelt, während eine Nervenentzündung vorliegt.
	        
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