Die Röntgentechnik im Kriege
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Teil. Diese ihre Durchdringungsfähigkeit oder das Gegenteil davon, ihre Absorption
sind verschieden, je nach der Wellenlänge. Röntgenstrahlen kleinerer Wellenlängen
haben große Durchdringungskraft. Die durchdringendsten Strahlen, die man kennt,
sind die y-Strahlen der radioaktiven Präparate. Andere Röntgenstrahlen wiederum*
haben geringe durchdringende Kraft, weil sie größere Wellenlängen besitzen, und
werden schon von Papier zum größten Teil absorbiert. Denkt man sich alle die
verschiedenen möglichen Wellenlängen der Röntgenstrahlen nebeneinander auf
getragen, so sind gewissermaßen ihre Farben nebeneinander gereiht, man hat ihr
Spektrum vor sich, gerade wie beim Licht. Nur ist es ein riesig großes Spektrum.
Das nähere Studium dieses Spektrums hat nun ergeben, daß auch in ihm, gerade
wie beim Lichtspektrum, Linien vorhanden sind, und auch hier gibt es zwei Arten von
Linien, die durchaus denen im sichtbaren Lichte entsprechen. Die Röntgen -
strahlen werden ja von bestimmten Stoffen ausgesandt, und zwar dann, wenn auf
diese Stoffe mit ungeheueren Geschwindigkeiten elektrische Atome, sogenannte
Elektronen, auf prallen. Dabei senden die getroffenen Stoffe zwar alle möglichen
Wellenlängen aus, so wie die Sonne weißes Licht zu uns sendet, aber innerhalb
dieser zahlreichen verschiedenen Wellen sind bestimmte Wellenlängen besonders
stark. Sie bilden gewissermaßen die hellen Linien im Röntgenstrahlenspektrum,
und ihnen entsprechen wieder dunkle Linien, die von der Absorption der Strahlung
in durchwanderten Stoffen herrühren.
So ist durch diese Entdeckung den Menschen eine Naturkraft in die Hand
gegeben worden von heute noch nicht zu übersehender Bedeutung. Wenn wir
uns vorstellen, daß die ganze sichtbare Welt unserem Auge erschlossen wird durch
eine einzige Oktav im Spektrum des Lichtes, wenn wir an die Mannigfaltigkeit
der Erscheinungen denken, die der Gesichtssinn erschließt, weitaus den größten
Teil der Außenwelt, der überhaupt zu unserer Wahrnehmung gelangt, dann können
wir ahnen, welche Fülle von Erkenntnissen und Möglichkeiten in dem weit größeren
Spektrum der X-Strahlung enthalten ist.
Bei der technischen Erzeugung der X-Strahlen, die wir weiter unten besprechen,
entsteht in der Regel ein gewissermaßen weißes Röntgenlicht, also ein solches, das
Strahlen der verschiedensten Wellenlängen enthält. Wandert ein solches Röntgen
strahlenbündel durch einen Körper, der aus verschieden dichten Bestandteilen -—
z.B. aus Holz und Eisen oder, wie der menschliche Körper, aus Knochen teilen
und Weichteilen — besteht, so werden die Strahlen in den verschiedensten Bestand
teilen verschieden stark absorbiert; stärker im Eisen als im Holz, stärker im Knochen
als im Muskel, stärker im Muskel als im lufterfüllten Lungengewebe. Wenn die
Strahlen aus dem durchdrungenen Körper heraustreten, so entspricht die Schwächung
ihrer Intensität in jedem Punkt der Dicke und Dichte des Stoffes, den sie durch
wandert haben, und läßt man sie nun auf eine photographische Platte einwirken,
deren Schicht sie verändern, oder auf einen mit Mineralsalzen bestreuten Schirm,
den sie zum Leuchten bringen, dann ist die Veränderung der photographischen
Platte und das Leuchten des Schirms an jedem einzelnen Orte von anderer Größe.
Da, wo die Röntgenstrahlen wenig geschwächt sind, erhalten wir starke Schwärzung
der photographischen Platte oder leuchtet der Schirm hell. Da, wo die Röntgen-
strahlen dichte und dicke Organe durchwanderten, bleibt die Photographie weniger